23.09.2019, 19:58
4. GUÈRET
Nach meiner Berechnung musste die Weiterreise auf Tours gehen, also nach dem Sitz der ‚provisorischen Regierung‘. Ich wünschte dies und hatte bereits eine Anrede an den Minister Crémieux, fertig der dann, dacht ich seinem Kollegen Gambetta ein paar Worte zuflüstern und, nach zustimmendem Kopfnicken dieses letzteren, meine Freilassung anordnen würde. All dies scheiterte aber vorweg an einer unerbittlichen Tatsache: es ging nicht auf Tours. Die nächste Etappe hieß Guéret. Am Mittag schon, bald nach ein Uhr, trafen wir in Guéret ein. ‚Ein freundliches Städtchen‘, hatten uns die Gendarmen gesagt, die ihrer Sache selbst so sicher waren, dass sie die Karabiner, die mir immer mehr für das Volk als für uns da zu sein schienen, auf dem Bahnhof ließen…
Mit dem Eintreten in die Stadt umdrängten uns im Nu hunderte von Jungen, die in dem scheinbar menschenleeren Ort wie Pilze aus der Erde wuchsen; alte Weiber erschienen in allen Türen, und unter dem Geschrei ‚Bismaarck, Bismaark‘ (immer mit langezogenem ‚A‘) verschwanden wir endlich im Gefängnistore. Ich muss übrigens hinzufügen, dass das Ganze doch mehr den Charakter einer Volksbelustigung hatte.
Das ‚Büro‘ des Gefängnisses bestand aus drei Personen, aus dem Schließer, dem gardien-chef und der Frau dieses letzteren, einer großen braunäugigen Person von etwa sechsunddreißig, die nach der Art, wie sie uns musterte, eine Vergangenheit habe musste. Inzwischen war mein vielzitiertes Beglaubigungspapier (‚comme officier supérieur‘) wieder vorgezeigt worden und schuf hier eine völlige Verwirrung.
Man wusste offenbar nicht, was man daraus machen sollte. So schien auch der gardien-chef entschlossen, nicht geradezu die Existenz eines officier supérieur, aber doch die Verpflichtung seinerseits bestreiten zu wollen, in seinem Gefängnisse einen solchen unterzubringen. Man kam endlich überein gar nichts zu tun und mir die Initiative zu überlassen. Wir stiegen nunmehr die Treppe hinauf.
Ein großer viereckiger Raum wurde geöffnet, die Badenser traten ein, und man wartete ersichtlich, ob ich folgen würde. Ich folgte aber nicht. Dies machte einen Eindruck, und in rascher Ausnutzung des Moments bat ich jetzt um ein apartes Zimmer. Man weigerte sich auch nicht… und ließ mich zunächst, das Weitere abwartend, in eine nebenan gelegene Zelle eintreten.
Nach meiner Berechnung musste die Weiterreise auf Tours gehen, also nach dem Sitz der ‚provisorischen Regierung‘. Ich wünschte dies und hatte bereits eine Anrede an den Minister Crémieux, fertig der dann, dacht ich seinem Kollegen Gambetta ein paar Worte zuflüstern und, nach zustimmendem Kopfnicken dieses letzteren, meine Freilassung anordnen würde. All dies scheiterte aber vorweg an einer unerbittlichen Tatsache: es ging nicht auf Tours. Die nächste Etappe hieß Guéret. Am Mittag schon, bald nach ein Uhr, trafen wir in Guéret ein. ‚Ein freundliches Städtchen‘, hatten uns die Gendarmen gesagt, die ihrer Sache selbst so sicher waren, dass sie die Karabiner, die mir immer mehr für das Volk als für uns da zu sein schienen, auf dem Bahnhof ließen…
Mit dem Eintreten in die Stadt umdrängten uns im Nu hunderte von Jungen, die in dem scheinbar menschenleeren Ort wie Pilze aus der Erde wuchsen; alte Weiber erschienen in allen Türen, und unter dem Geschrei ‚Bismaarck, Bismaark‘ (immer mit langezogenem ‚A‘) verschwanden wir endlich im Gefängnistore. Ich muss übrigens hinzufügen, dass das Ganze doch mehr den Charakter einer Volksbelustigung hatte.
Das ‚Büro‘ des Gefängnisses bestand aus drei Personen, aus dem Schließer, dem gardien-chef und der Frau dieses letzteren, einer großen braunäugigen Person von etwa sechsunddreißig, die nach der Art, wie sie uns musterte, eine Vergangenheit habe musste. Inzwischen war mein vielzitiertes Beglaubigungspapier (‚comme officier supérieur‘) wieder vorgezeigt worden und schuf hier eine völlige Verwirrung.
Man wusste offenbar nicht, was man daraus machen sollte. So schien auch der gardien-chef entschlossen, nicht geradezu die Existenz eines officier supérieur, aber doch die Verpflichtung seinerseits bestreiten zu wollen, in seinem Gefängnisse einen solchen unterzubringen. Man kam endlich überein gar nichts zu tun und mir die Initiative zu überlassen. Wir stiegen nunmehr die Treppe hinauf.
Ein großer viereckiger Raum wurde geöffnet, die Badenser traten ein, und man wartete ersichtlich, ob ich folgen würde. Ich folgte aber nicht. Dies machte einen Eindruck, und in rascher Ausnutzung des Moments bat ich jetzt um ein apartes Zimmer. Man weigerte sich auch nicht… und ließ mich zunächst, das Weitere abwartend, in eine nebenan gelegene Zelle eintreten.
Fredeswind Märchenschatztruhe
Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe
"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
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"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)