08.10.2019, 22:20
15. „SENTINELLE, PRENEZ GARDE À VOUS!“
Um Mitternacht (Gott sei Dank!) schlief ich fest, wenn nicht das Zusammenbrechen der verkohlten Scheite mich auf einen Augenblick weckte. Nur einmal wachte ich die Mitternacht heran. Es war bei Vollmond. Als die zwölf Schläge über den Kasernenhof hin verklungen waren, hüllte ich mich in Schal und Kapuze und tappte an der Wand des Korridors entlang bis an die schmale Hintertür, die auf den Wallgang hinausführte.
Entzückendes Bild! Nach rechts hin stand der Mond und goss sein volles Licht in breiten Streifen über die Wasserfläche. Kein Lüftchen ging; das Meer war ein Spiegel; alles still. Ich hörte nichts als in einiger Entfernung den Schritt der Wachen und am Fuße der Bastion ein leises Brauen und Murmeln, denn die Flut kam. Ein weißer Schimmer lag wie Schnee auf den grauen Fliesen des Rempart, und ich begann jetzt, immer dicht an der Brüstung hin einen Mitternachtsspaziergang anzutreten...
Ich zog meine Kapuze fester an und setzte mich innerhalb eines Brüstungsvorsprungs auf eine Steinbank, die diesen Vorsprung beinah ausfüllte. Ich sah in die Mondstreifen hinein, der in schräger Linie über das Meer und dann glitzernd, über die... Fliesen lief...
Dann schlug es halb, und noch eh der Schlag verklungen war, mit einer Plötzlichkeit, wie ein Schuss fällt, begann jetzt vom Portal her das Anrufen der ausgestellten Wachen: „Sentinelle, prenez garde à vous!“ (Wachen habt Acht!). Der nächste Posten nahm den Anruf auf, und im fünffachen Echo lief es jetzt um die Zitadelle herum, von Posten zu Posten, bis der mir zunächst stehende, mit dem die Kette schloss, dieselben Worte über den Rempart rief. Es war, als gelten sie mir selber.
Ich stand jetzt auf, um meinen Rückzug anzutreten. Mich fröstelte. Als ich durch den Mondstreifen hindurch schritt, der jetzt zwischen mir und der schmalen Hoftür lag, war mir‘s als streifte mich etwas. Ich zuckte zusammen und eilte vorwärts. Der Wachen Ruf war längst verklungen, aber immer noch klang es mir nach: „Sentinelle, prenez garde à vous!“
ENDE TEIL 3
Um Mitternacht (Gott sei Dank!) schlief ich fest, wenn nicht das Zusammenbrechen der verkohlten Scheite mich auf einen Augenblick weckte. Nur einmal wachte ich die Mitternacht heran. Es war bei Vollmond. Als die zwölf Schläge über den Kasernenhof hin verklungen waren, hüllte ich mich in Schal und Kapuze und tappte an der Wand des Korridors entlang bis an die schmale Hintertür, die auf den Wallgang hinausführte.
Entzückendes Bild! Nach rechts hin stand der Mond und goss sein volles Licht in breiten Streifen über die Wasserfläche. Kein Lüftchen ging; das Meer war ein Spiegel; alles still. Ich hörte nichts als in einiger Entfernung den Schritt der Wachen und am Fuße der Bastion ein leises Brauen und Murmeln, denn die Flut kam. Ein weißer Schimmer lag wie Schnee auf den grauen Fliesen des Rempart, und ich begann jetzt, immer dicht an der Brüstung hin einen Mitternachtsspaziergang anzutreten...
Ich zog meine Kapuze fester an und setzte mich innerhalb eines Brüstungsvorsprungs auf eine Steinbank, die diesen Vorsprung beinah ausfüllte. Ich sah in die Mondstreifen hinein, der in schräger Linie über das Meer und dann glitzernd, über die... Fliesen lief...
Dann schlug es halb, und noch eh der Schlag verklungen war, mit einer Plötzlichkeit, wie ein Schuss fällt, begann jetzt vom Portal her das Anrufen der ausgestellten Wachen: „Sentinelle, prenez garde à vous!“ (Wachen habt Acht!). Der nächste Posten nahm den Anruf auf, und im fünffachen Echo lief es jetzt um die Zitadelle herum, von Posten zu Posten, bis der mir zunächst stehende, mit dem die Kette schloss, dieselben Worte über den Rempart rief. Es war, als gelten sie mir selber.
Ich stand jetzt auf, um meinen Rückzug anzutreten. Mich fröstelte. Als ich durch den Mondstreifen hindurch schritt, der jetzt zwischen mir und der schmalen Hoftür lag, war mir‘s als streifte mich etwas. Ich zuckte zusammen und eilte vorwärts. Der Wachen Ruf war längst verklungen, aber immer noch klang es mir nach: „Sentinelle, prenez garde à vous!“
ENDE TEIL 3
Fredeswind Märchenschatztruhe
Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe
"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe
"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)