„Wat dait he denn door? un heft my nich maal adjüüs sechd!“ „O he wull geern hen un bed my, of he door wol sos Wäken blywen kunn; he is jo woll door uphawen.“ „Ach“, säd de Mann, „my is so recht trurig, dat is doch nich recht, he hadd my doch adjüüs sagen schullt.“ Mit Sett't he sik to Disch un füng an to äten und säd. „Marleenken, wat weenst du? Broder wart wol wedder kamen.“
„Was tut er denn dort? Er hat mir nicht mal Adieu gesagt!“ „Oh, er wollte so gern hin und bat mich, ob er dort wohl sechs Wochen bleiben könnte; er ist ja gut aufgehoben dort.“ „Ach“, sagte der Mann, „mir ist so recht traurig zumute; das ist doch nicht recht, er hätte mir doch Adieu sagen können.“ Damit setzte er sich zu Tisch fing an zu essen und sagte: „Marlenchen, warum weinst du? Der Bruder wird schon wiederkommen.“
„Was tut er denn dort? Er hat mir nicht mal Adieu gesagt!“ „Oh, er wollte so gern hin und bat mich, ob er dort wohl sechs Wochen bleiben könnte; er ist ja gut aufgehoben dort.“ „Ach“, sagte der Mann, „mir ist so recht traurig zumute; das ist doch nicht recht, er hätte mir doch Adieu sagen können.“ Damit setzte er sich zu Tisch fing an zu essen und sagte: „Marlenchen, warum weinst du? Der Bruder wird schon wiederkommen.“
„Ach, Fru“, säd he do, „wat smeckt my dat Äten schöön! Gif my mehr!“ Un je mehr he eet, je mehr wull he hebben, un säd. „Geeft my mehr, gy schöhlt niks door af hebben, dat is, as wenn dat all myn wör.“ Un he eet un eet, un de Knakens smeet he all ünner den Disch, bet he allens up hadd.
„Ach Frau“, sagte er dann, „was schmeckt mir das Essen schön! Gib mir mehr!“ Und je mehr er aß, um so mehr wollte er haben und sagte: „Gebt mir mehr, ihr sollt nichts davon aufheben, das ist, als ob das alles mein wäre.“ Und er aß und aß, und die Knochen warf er alle unter den Tisch, bis er mit allem fertig war.
Marleenken awerst güng hen na ere Kommod und nöhm ut de ünnerste Schuuf eren besten syden Dook, un hahl all de Beenkens und Knakens ünner den Disch heruut un bünd se in den syden Dook und droog se vör de Döhr un weend ere blödigen Tranen. Door läd se se ünner den Machandelboom in dat gröne Gras, un as se se door henlechd hadd, so war ehr mit eenmal so recht licht, un weend nich mer.
Marlenchen aber ging hin zu ihrer Kommode und nahm aus der untersten Schublade ihr bestes seidenes Tuch und holte all die Beinchen und Knochen unter dem Tisch hervor und band sie in das seidene Tuch und trug sie vor die Tür und weinte blutige Tränen. Dort legte sie sie unter den Wacholder in das grüne Gras, und als sie sie dahin gelegt hatte, da war ihr auf einmal ganz leicht, und sie weinte nicht mehr.
Do füng de Machandelboom an sik to bewegen, un de Twyge deden sik jümmer so recht von eenanner, un denn wedder tohoop, so recht as wenn sik eener so recht freut un mit de Händ so dait. Mit des so güng dar so'n Newel von dem Boom, un recht in dem Newel, dar brennd dat as Führ, un uut dem Führ, dar flöög so'n schönen Vagel heruut.
Da fing der Wacholder an, sich zu bewegen, und die Zweige gingen immer so voneinander und zueinander, so recht, wie wenn sich einer von Herzen freut und die Hände zusammenschlägt. Dabei ging ein Nebel von dem Baum aus, und mitten in dem Nebel, da brannte es wie Feuer, und aus dem Feuer flog so ein schöner Vogel heraus.
De Vagel süng so herrlich und flöög hoog in de Luft, un as he wech wöör, do wöör de Machandelboom, as he vörhen west wör, un de Dook mit de Knakens wöör wech. Marleenken awerst wöör so recht licht un vörgnöögt, recht as wenn de Broder noch leewd. Do güng se wedder ganß lustig in dat Huus by Disch un eet.
Der Vogel sang so herrlich und flog hoch in die Luft, und als er weg war, da war der Wacholder wie er vorher gewesen war, und das Tuch mit den Knochen war weg. Marlenchen aber war so recht leicht und vergnügt zumute, so recht, als wenn ihr Bruder noch lebte. Da ging sie wieder ganz lustig nach Hause, setzte sich zu Tisch und aß.
Fredeswind Märchenschatztruhe
Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe
"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
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"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)