23.11.2025, 16:41
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 23.11.2025, 16:43 von Fredeswind.)
Da sah er, wie tausend und tausend Lichter in unübersehbaren Reihen brannten, einige groß, andere halbgroß, andere klein. Jeden Augenblick verloschen einige, und andere brannten wieder auf, also dass die Flämmchen in beständigem Wechsel zu sein schienen.
„Siehst du“, sprach der Tod, „das sind die Lebenslichter der Menschen. Die großen gehören Kindern, die halbgroßen Eheleuten in den besten Jahren, die kleinen gehören Greisen. Doch auch Kinder und junge Leute haben oft nur ein kleines Lichtchen."
„Zeige mir mein Lebenslicht“, sagte der Arzt und meinte, es wäre noch recht groß. Der Tod deutete auf ein kleines Endchen, das eben auszugehen drohte, und sagte: „Siehst du, da ist es.“
„Ach, lieber Pate“, sagte der erschrockene Arzt, „zündet mir ein neues an, tut mir's zuliebe, damit ich König werde und Gemahl der schönen Königstochter.“
„Ich kann nicht“, antwortete der Tod, „erst muss eins verlöschen, eh' ein neues anbrennt.“ „So setzt das alte auf ein neues, das gleich fortbrennt, wenn jenes zu Ende ist“, bat der Arzt. Der Tod stellte sich, als ob er seinen Wunsch erfüllen wollte und langte ein frisches, großes Licht herbei.
Aber weil er sich rächen wollte, versah er's beim Umstecken absichtlich, und das Stückchen fiel herab und verlosch. Alsbald sank der Arzt zu Boden und war nun selbst in die Hand des Todes geraten.
ENDE
Fredeswind Märchenschatztruhe
Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe
"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
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"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
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