10.09.2019, 18:46
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 10.09.2019, 18:50 von Fredeswind.)
4. VON LANGRES BIS BESANÇON
Besançon wie schon angedeutet, erschien mir lediglich als Etappe zurück in die Freiheit. Ganz abgesehen von den direkten Zusicherungen Mr. Bourgauts, glaubte ich, nach einem gewissen ästhetischen Gesetz, die Lösung des Konflikts innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden erwarten zu müssen... So, guter Dinge, stand ich auch vor diesem Erlebnis... Es ging aber diesmal alles verquer; von regelrechter Entwicklung keine Rede. Immer neues Wirrsal. Erst als ich ganz resigniert war, wurd‘ es besser.
Ich fahre jetzt in Darstellung meiner Erlebnisse fort. Sechs Uhr früh am anderen Morgen trat ich in den Hof des Gefängnisses; die Gendarmen warteten schon. Ein kurzer Abschied; dann ging es im Geschwindschritt bis an den Bahnhof. Diesmal bergab. Die frühe Morgenstunde sicherte einigermaßen vor der Zudringlichkeit der Bevölkerung.
Porte Longe
Es war nasskalt; ein heftiger Regen hatte erst gegen Morgen aufgehört… Ich fand hier Gesellschaft, die gleich mir ins Land hinein transportiert werden sollte, aber nicht nach Besançon. Einer von ihnen war ein gefangener Unteroffizier vom 32. Regiment (Meiningen). Wir fröstelten alle, die Gendarmen in ihren Mänteln nicht ausgenommen.
Nach etwa halbstündigem Warten setzten wir uns in ein Coupé (immer 2. Klasse) und fuhren südwärts. Ich fragte, ob ich mich mit meinem Landsmann in deutscher Sprache unterhalten könne, was ohne Weiteres zugestanden wurde. In welche Lebensschicksale man in solchen Zeiten Einblick gewinnt! Dieser gefangene Unteroffizier, seines Zeichens eigentlich ein kleiner Kaufmann aus Köslin, war vierunzwanzig Jahre alt und seit drei Jahren verheiratet...
Er hatte nichts als seinen Rock, seine zerschossene Hand und eine Photographie seiner Frau, die er mir zeigte. Ich gab ihm etwas Geld, was er anfangs nicht nehmen wollte, er brauche nichts, allabendlich werde er in ein französisches Hospital abgeliefert, wo ihn die Schwestern bis diesen Tag gütig gepflegt und verbunden hätten. Es kam kein Klagelaut über seine Lippen; man transportierte ihn nach Marseille. „Da ist es wärmer“, setzte er hinzu, während ihn die Morgenfrische kalt überlief…
Besançon wie schon angedeutet, erschien mir lediglich als Etappe zurück in die Freiheit. Ganz abgesehen von den direkten Zusicherungen Mr. Bourgauts, glaubte ich, nach einem gewissen ästhetischen Gesetz, die Lösung des Konflikts innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden erwarten zu müssen... So, guter Dinge, stand ich auch vor diesem Erlebnis... Es ging aber diesmal alles verquer; von regelrechter Entwicklung keine Rede. Immer neues Wirrsal. Erst als ich ganz resigniert war, wurd‘ es besser.
Ich fahre jetzt in Darstellung meiner Erlebnisse fort. Sechs Uhr früh am anderen Morgen trat ich in den Hof des Gefängnisses; die Gendarmen warteten schon. Ein kurzer Abschied; dann ging es im Geschwindschritt bis an den Bahnhof. Diesmal bergab. Die frühe Morgenstunde sicherte einigermaßen vor der Zudringlichkeit der Bevölkerung.
Porte Longe
Es war nasskalt; ein heftiger Regen hatte erst gegen Morgen aufgehört… Ich fand hier Gesellschaft, die gleich mir ins Land hinein transportiert werden sollte, aber nicht nach Besançon. Einer von ihnen war ein gefangener Unteroffizier vom 32. Regiment (Meiningen). Wir fröstelten alle, die Gendarmen in ihren Mänteln nicht ausgenommen.
Nach etwa halbstündigem Warten setzten wir uns in ein Coupé (immer 2. Klasse) und fuhren südwärts. Ich fragte, ob ich mich mit meinem Landsmann in deutscher Sprache unterhalten könne, was ohne Weiteres zugestanden wurde. In welche Lebensschicksale man in solchen Zeiten Einblick gewinnt! Dieser gefangene Unteroffizier, seines Zeichens eigentlich ein kleiner Kaufmann aus Köslin, war vierunzwanzig Jahre alt und seit drei Jahren verheiratet...
Er hatte nichts als seinen Rock, seine zerschossene Hand und eine Photographie seiner Frau, die er mir zeigte. Ich gab ihm etwas Geld, was er anfangs nicht nehmen wollte, er brauche nichts, allabendlich werde er in ein französisches Hospital abgeliefert, wo ihn die Schwestern bis diesen Tag gütig gepflegt und verbunden hätten. Es kam kein Klagelaut über seine Lippen; man transportierte ihn nach Marseille. „Da ist es wärmer“, setzte er hinzu, während ihn die Morgenfrische kalt überlief…
Fredeswind Märchenschatztruhe
Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe
"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
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