08.10.2019, 11:20
14. STURM IM GLASE WASSER
Das Sterben wurde bald Tagesordnung auf Oléron. Es konnte kaum anders sein. Etwa Mitte November trafen siebenhundert Bayern auf der Zitadelle ein, die man nach Einnahme Orleans‘ durch General Aurelle de Paladines in den dortigen Lazaretten zusammengesucht und als Gefangene nach Oléron geschickt hatte… Ein ernster Vorwurf für die französischen Machthaber war… , dass man nicht nur Rekonvaleszenten und leicht Verwundete, sondern auch Personen fortschleppte, die dicht vor dem Typhus standen oder ihn kaum erst überwunden hatten… Die auf Oléron eintreffenden siebenhundert hatten in den ersten Nächten kaum Stroh. Das war natürlich kein Zustand… Rückfälle kamen vor, und der Geistliche, die Chorknaben und der Totengräber mussten Tag um Tag in dem Aufzuge, den ich geschildert habe, auf den Bergräbnisplatz hinaus.
Eine Verstimmung über diese Zustände war unausweichlich; besonders die Preußen… waren empört und gaben nach ihrer heimatlichen Art dieser Empörung unverhohlenen Ausdruck. Beim Kantinengang, auch wohl beim Einkäufe machen, fielen Worte, dass dies eine erbärmlicher Wirtschaft sei... Worte, die alsbald von Mund zu Mund gingen.
Im Weiterrollen nahmen sie folgende groteske Gestalt an: die Gefangenen der Zitadelle sind im Komplott. Sie haben vor die Wachmannschaften zu entwaffnen…, Chateau zu überfallen und von der ganzen Insel Besitz zu ergreifen. Preußische Kriegsschiffe kreuzten bereits in der Nähe. Man wird… Rochefort einschließen und von dort aus das Land insurgieren (aufhetzen). Ein Napoleonischer Aufstand im Rücken der republikanischen Armee – das ist der Plan. Wir erfuhren dies wieder und lachten herzlich…
Was aber, namentlich dem engeren Kreise, der sich bei mir zu versammeln pflegte, das allerpeinlichste war, war das, dass unser guter Kommandant mit in die Angelegenheit hineingezogen und um seiner Nachsicht und Güte willen (die übrigens nie in Schwäche ausartete) bezichtigt wurde, das eigentliche Haupt des Komplotts zu sein.
Wir beschlossen also, nicht nur äußerste Vorsicht zu üben, sondern namentlich auch die Anstandsbesuche, die wir von Zeit zu Zeit in der Kommandantur gemacht hatten, einzustellen. Ich wurde dazu noch durch einen besonderen Vorfall bestimmt, der, so klein und geringfügig war, doch am besten zeigte, wie kritisch bereits die Lage geworden war.
Ich hatte bei einem Nachmittagsbesuche eben neben dem Kommandanten Platz genommen und ließ mir das Straßburger Bier schmecken, das in einem Steinkruge wie immer auf einen zwischen uns stehendes Tischchen gestellt worden war, als der eintretende Diener den Kapitän N. N. meldete. Den Namen überhörte ich. Es war, wie ich mich bald überzeugen sollte, ein Seekapitän, der zugleich das Kommando über die Nationalgarden der Insel übernommen hatte.
Das Sterben wurde bald Tagesordnung auf Oléron. Es konnte kaum anders sein. Etwa Mitte November trafen siebenhundert Bayern auf der Zitadelle ein, die man nach Einnahme Orleans‘ durch General Aurelle de Paladines in den dortigen Lazaretten zusammengesucht und als Gefangene nach Oléron geschickt hatte… Ein ernster Vorwurf für die französischen Machthaber war… , dass man nicht nur Rekonvaleszenten und leicht Verwundete, sondern auch Personen fortschleppte, die dicht vor dem Typhus standen oder ihn kaum erst überwunden hatten… Die auf Oléron eintreffenden siebenhundert hatten in den ersten Nächten kaum Stroh. Das war natürlich kein Zustand… Rückfälle kamen vor, und der Geistliche, die Chorknaben und der Totengräber mussten Tag um Tag in dem Aufzuge, den ich geschildert habe, auf den Bergräbnisplatz hinaus.
Eine Verstimmung über diese Zustände war unausweichlich; besonders die Preußen… waren empört und gaben nach ihrer heimatlichen Art dieser Empörung unverhohlenen Ausdruck. Beim Kantinengang, auch wohl beim Einkäufe machen, fielen Worte, dass dies eine erbärmlicher Wirtschaft sei... Worte, die alsbald von Mund zu Mund gingen.
Im Weiterrollen nahmen sie folgende groteske Gestalt an: die Gefangenen der Zitadelle sind im Komplott. Sie haben vor die Wachmannschaften zu entwaffnen…, Chateau zu überfallen und von der ganzen Insel Besitz zu ergreifen. Preußische Kriegsschiffe kreuzten bereits in der Nähe. Man wird… Rochefort einschließen und von dort aus das Land insurgieren (aufhetzen). Ein Napoleonischer Aufstand im Rücken der republikanischen Armee – das ist der Plan. Wir erfuhren dies wieder und lachten herzlich…
Was aber, namentlich dem engeren Kreise, der sich bei mir zu versammeln pflegte, das allerpeinlichste war, war das, dass unser guter Kommandant mit in die Angelegenheit hineingezogen und um seiner Nachsicht und Güte willen (die übrigens nie in Schwäche ausartete) bezichtigt wurde, das eigentliche Haupt des Komplotts zu sein.
Wir beschlossen also, nicht nur äußerste Vorsicht zu üben, sondern namentlich auch die Anstandsbesuche, die wir von Zeit zu Zeit in der Kommandantur gemacht hatten, einzustellen. Ich wurde dazu noch durch einen besonderen Vorfall bestimmt, der, so klein und geringfügig war, doch am besten zeigte, wie kritisch bereits die Lage geworden war.
Ich hatte bei einem Nachmittagsbesuche eben neben dem Kommandanten Platz genommen und ließ mir das Straßburger Bier schmecken, das in einem Steinkruge wie immer auf einen zwischen uns stehendes Tischchen gestellt worden war, als der eintretende Diener den Kapitän N. N. meldete. Den Namen überhörte ich. Es war, wie ich mich bald überzeugen sollte, ein Seekapitän, der zugleich das Kommando über die Nationalgarden der Insel übernommen hatte.
Fredeswind Märchenschatztruhe
Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe
"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
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"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)