09.10.2019, 08:06
Kriegsgefangen, Erlebtes 1870
(frei nach Theodor Fontane, gekürzte Fassung)
Frei
1.UNVERHOFFT KOMMT OFT
„Es ist gar nicht zu sagen, wie schnell ein Ereignis da ist, wenn man es nicht erwartete hat! Hat man es erwartet, so dauert es viel länger, und manchmal kommt es gar nicht.“ Mit diesen Worten etwa beginnt eine liebenswürdige Roquettesche Novelle. Die Wahrheit, die sich darin ausspricht, sollte sich auch an mir erfüllen. „Unverhofft kommt oft.“
Es war Sonnabend, den 26. November. Die erste Hälfte des Tages mit Spaziergang und Arbeit lag hinter mir, das Mittagsbeefsteak war verzehrt, in seinem zähen Widerstand gebrochen, und die Kaffeestunde umblühte mich bereits. Duft und Wärme erfüllten das Zimmer, Rasumofsky war bei mir… Wir standen am, Kamin, er rechts, ich links, während zwischen uns das Feuer glühte…
Rasumofsky hatte einen sentimentalen Tag und sagte: „Jott, Herr Leutnant, wann werden wir wieder den ersten preuß’schen Kaffee trinken? Mit Weihnachten wird es nichts.“ „Nein, Rasumofsky, auf Ostern müssen wir uns gefasst machen. Vielleicht sehn wir hier noch den Flieder blühn… Und am Ende“, so fuhr ich fort, „Ostern oder nicht, ich kann es so schlimm hier nicht finden.
Rasumofsky, ich sage Ihnen alle Dinge haben zwei Seiten.“ Er nickte… „Sehen Sie, es ist jetzt halb zwei, vor einer Viertelstunde erst hab ich mein Beefsteak gegessen, und schon halt ich hier ein Glas guten Javakaffee in Händen. Glauben Sie, Rasumofsky, dass man das haben kann, wenn man frei ist? Gott bewahre. So was hat man nur in der Gefangenschaft.“
Er grinste. „Sie sind ein vernünftiger Mensch, Rasumofsky, und kennen die Welt. Es wird wohl in Posen auch so sein wie anderswo. Der Hausherr, sehen Sie, das ist eine ganz sonderbare Stellung. Es wird im zwei- bis dreimal des Tages vorerzählt, er sei ein Tyrann... Aber ich sage ihnen, Rasumofsky, die Berliner Tyrannen, die um halb zwei eine Tasse Kaffee kriegen können, die sind zu zählen… Sehen Sie, man könnte beinahe sagen: nur ein Gefangener sei frei.“
Hier hielt er sich nicht länger und brach in die Worte aus: „Ach, Herr Leutnant, das ist ja, als ob ich meinen Rittmeister reden hörte. Grade so war es in Posen. Es ist zu merkwürdig.“ Seine Betrachtungen über dies wunderbare Zusammentreffen wurden durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen.
(frei nach Theodor Fontane, gekürzte Fassung)
Frei
1.UNVERHOFFT KOMMT OFT
„Es ist gar nicht zu sagen, wie schnell ein Ereignis da ist, wenn man es nicht erwartete hat! Hat man es erwartet, so dauert es viel länger, und manchmal kommt es gar nicht.“ Mit diesen Worten etwa beginnt eine liebenswürdige Roquettesche Novelle. Die Wahrheit, die sich darin ausspricht, sollte sich auch an mir erfüllen. „Unverhofft kommt oft.“
Es war Sonnabend, den 26. November. Die erste Hälfte des Tages mit Spaziergang und Arbeit lag hinter mir, das Mittagsbeefsteak war verzehrt, in seinem zähen Widerstand gebrochen, und die Kaffeestunde umblühte mich bereits. Duft und Wärme erfüllten das Zimmer, Rasumofsky war bei mir… Wir standen am, Kamin, er rechts, ich links, während zwischen uns das Feuer glühte…
Rasumofsky hatte einen sentimentalen Tag und sagte: „Jott, Herr Leutnant, wann werden wir wieder den ersten preuß’schen Kaffee trinken? Mit Weihnachten wird es nichts.“ „Nein, Rasumofsky, auf Ostern müssen wir uns gefasst machen. Vielleicht sehn wir hier noch den Flieder blühn… Und am Ende“, so fuhr ich fort, „Ostern oder nicht, ich kann es so schlimm hier nicht finden.
Rasumofsky, ich sage Ihnen alle Dinge haben zwei Seiten.“ Er nickte… „Sehen Sie, es ist jetzt halb zwei, vor einer Viertelstunde erst hab ich mein Beefsteak gegessen, und schon halt ich hier ein Glas guten Javakaffee in Händen. Glauben Sie, Rasumofsky, dass man das haben kann, wenn man frei ist? Gott bewahre. So was hat man nur in der Gefangenschaft.“
Er grinste. „Sie sind ein vernünftiger Mensch, Rasumofsky, und kennen die Welt. Es wird wohl in Posen auch so sein wie anderswo. Der Hausherr, sehen Sie, das ist eine ganz sonderbare Stellung. Es wird im zwei- bis dreimal des Tages vorerzählt, er sei ein Tyrann... Aber ich sage ihnen, Rasumofsky, die Berliner Tyrannen, die um halb zwei eine Tasse Kaffee kriegen können, die sind zu zählen… Sehen Sie, man könnte beinahe sagen: nur ein Gefangener sei frei.“
Hier hielt er sich nicht länger und brach in die Worte aus: „Ach, Herr Leutnant, das ist ja, als ob ich meinen Rittmeister reden hörte. Grade so war es in Posen. Es ist zu merkwürdig.“ Seine Betrachtungen über dies wunderbare Zusammentreffen wurden durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen.
Fredeswind Märchenschatztruhe
Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe
"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe
"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)