10.10.2019, 11:21
Seine erste Ansprache, nach erfogter Vorstellung, ging dahin, dass sein Freund und Amtsbruder Monsieur Delmas… ihm eine historische Studie ‚L’eglise Réformée de la Rochelle‘ übersandt habe, zugleich mit der Bitte, dieselbe einem ‚historien prussien‘ (preußischen Geschichtsschreiber), der sich zur Zeit als Kriegsgefangener auf Oléron befinde, überreichen zu wollen...
Nach sorglicher Durchforstung aller tausend Gefangenen war, unter Anwendung des Indizien- oder Wahrscheinlichkeitsbeweises der Verdacht des Historikers an mir, als an einem schon früher literarisch Betroffenen, haftengeblieben, und da stand ich denn nun…, nicht ohne eine gewisse Verwirrung, den Schatten eines Lorbeers auf meiner Stirn. In Besançon zum ‚officier supérieur‘ in Oléron zum ‚historien prussien‘ kreiert, gewann ich erst Fassung wieder in dem Gedanken, dass die Fremde ihren Mann erkennt und der Heimat (die nie recht ran will) die großen Fingerzeige gibt...
Ich bat ihn, seinem Amtsbruder in La Rochelle meinen besten Dank für die mir erwiesene Ehre auszusprechen. Wir gingen dann zu einem Gespräch über die Insel Oléron über, über die kirchlichen Zustände, über das Verhältnis von Katholiken und Protestanten, der Zahl wie der gegenseitigen Stimmung nach. Er gab mir über alles Aufschluss…
Schließlich erhob er sich, trat seinen Zylinder in der Hand drei Schritte zurück und begann mit gesteigerter Feierlichkeit: „ Monsieur, il n’est pas vraisemblable, que nous nous reverons ici, que nous nous reverrons dans ce monde.(Mein Herr, es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass wir uns hier wiedersehen werden, dass wir uns in dieser Welt wiedersehen werden.)
Mais nous avons une patrie, grande et éternelle, où n'existe pas de guerre, où la haine, l'anomosité ont cessé, où les peuples demeurent en paix par notre Sauveur Lésus Christ, par lui, qui est la lumière, l'amour et la grâce. Voilà où nous reverrons... Monsieur, je vous demande pardon... Monsieur, je suis flaché de vous avoir dérangé... Monsieur, j'ai l'honneur..."(Aber wir haben ein Vaterland, ein großes und ewiges Vaterland, in dem es keinen Krieg gibt, wo Hass und Feindschaft aufgehört haben, in dem die Völker im Frieden leben durch unseren Heiland Jesus Christus, durch ihn, der das Licht, die Liebe und die Gnade ist. Dort werden wir uns wiedersehen… Mein Herr, ich bitte Sie um Vergebung… Mein Herr, es tut mir leid, sie gestört zu haben… Mein Herr, ich habe die Ehre…) Während dieser Sätze hatte er seinen Rückzug angetreten ohne sich umzudrehen, immer Auge in Auge…
Es fiel mir wie eine Last von der Brust. Die letzten Minuten hatten mich einen schweren Kampf gekostet. Bis zu den Worten: „Voilà, où nous nous reverrons“ war ich ihm ernsthaft gefolgt, als mir aber plötzlich klar wurde: er predigt, er zitiert vielleicht, erfasste mich das Komische der Situation mit solcher Gewalt, dass ich, nur noch mit Niederkämpfung meines Krampfes, von allem Weiteren nichts anderes als Einzelne Worte hörte. Niemals habe ich das Missliche der pastoralen Redeweise so empfunden wie hier.
Nach sorglicher Durchforstung aller tausend Gefangenen war, unter Anwendung des Indizien- oder Wahrscheinlichkeitsbeweises der Verdacht des Historikers an mir, als an einem schon früher literarisch Betroffenen, haftengeblieben, und da stand ich denn nun…, nicht ohne eine gewisse Verwirrung, den Schatten eines Lorbeers auf meiner Stirn. In Besançon zum ‚officier supérieur‘ in Oléron zum ‚historien prussien‘ kreiert, gewann ich erst Fassung wieder in dem Gedanken, dass die Fremde ihren Mann erkennt und der Heimat (die nie recht ran will) die großen Fingerzeige gibt...
Ich bat ihn, seinem Amtsbruder in La Rochelle meinen besten Dank für die mir erwiesene Ehre auszusprechen. Wir gingen dann zu einem Gespräch über die Insel Oléron über, über die kirchlichen Zustände, über das Verhältnis von Katholiken und Protestanten, der Zahl wie der gegenseitigen Stimmung nach. Er gab mir über alles Aufschluss…
Schließlich erhob er sich, trat seinen Zylinder in der Hand drei Schritte zurück und begann mit gesteigerter Feierlichkeit: „ Monsieur, il n’est pas vraisemblable, que nous nous reverons ici, que nous nous reverrons dans ce monde.(Mein Herr, es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass wir uns hier wiedersehen werden, dass wir uns in dieser Welt wiedersehen werden.)
Mais nous avons une patrie, grande et éternelle, où n'existe pas de guerre, où la haine, l'anomosité ont cessé, où les peuples demeurent en paix par notre Sauveur Lésus Christ, par lui, qui est la lumière, l'amour et la grâce. Voilà où nous reverrons... Monsieur, je vous demande pardon... Monsieur, je suis flaché de vous avoir dérangé... Monsieur, j'ai l'honneur..."(Aber wir haben ein Vaterland, ein großes und ewiges Vaterland, in dem es keinen Krieg gibt, wo Hass und Feindschaft aufgehört haben, in dem die Völker im Frieden leben durch unseren Heiland Jesus Christus, durch ihn, der das Licht, die Liebe und die Gnade ist. Dort werden wir uns wiedersehen… Mein Herr, ich bitte Sie um Vergebung… Mein Herr, es tut mir leid, sie gestört zu haben… Mein Herr, ich habe die Ehre…) Während dieser Sätze hatte er seinen Rückzug angetreten ohne sich umzudrehen, immer Auge in Auge…
Es fiel mir wie eine Last von der Brust. Die letzten Minuten hatten mich einen schweren Kampf gekostet. Bis zu den Worten: „Voilà, où nous nous reverrons“ war ich ihm ernsthaft gefolgt, als mir aber plötzlich klar wurde: er predigt, er zitiert vielleicht, erfasste mich das Komische der Situation mit solcher Gewalt, dass ich, nur noch mit Niederkämpfung meines Krampfes, von allem Weiteren nichts anderes als Einzelne Worte hörte. Niemals habe ich das Missliche der pastoralen Redeweise so empfunden wie hier.
Fredeswind Märchenschatztruhe
Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe
"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe
"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)