05.06.2020, 17:07
Die Türe eines Saales, mit phantastischem Bildwerke verziert, sprang donnernd auf - kalter Eishauch, wie von einem Gletscher, wehte aus dem Saale entgegen. Der große weite Saal war auch ganz schwarz und war ganz leer - nur in der Mitte - da stand etwas, beleuchtet von einer matten trüben Ampel, die darüber von der Decke nieder hing.
Und was dort stand, das war ein Sarg, und in dem Sarge lag eine Leiche, die Leiche einer alten kleinen Frau, ganz weiß gekleidet, die Hände aneinander gelegt, wie zum Gebete - über den Händen aber, aus der Brust, ragte der schwarze Griff eines Dolches.
„Hier meine Mutter!“, rief der schwarze Graf. „Hier ihr Mörder!“, rief er noch einmal, dass es schaurig im Saale hallte, und brach am Sarge in die Knie. Da hob sich plötzlich die Leiche im Sarge empor und wuchs und wuchs, so riesengroß - so ungeheuer, ein grauser Spuk.
Sie deckte sich über den schwarzen Grafen und füllte mehr und mehr den Raum, und der Ritter wich zurück, bis die Wand ihn hemmte - immer grausiger wurde die entsetzliche Gestalt, immer höher - ihr weißes Antlitz war schon so groß wie der Vollmond im Aufgehen, und ihr Gewand wallte wie Nebel - ihre Hände aber gruben in der Brust des schwarzen Grafen und gruben ihm das Herz aus der Brust.
Dem Ritter flirrte es vor den Sinnen, wie Nachtflöre einer Ohnmacht! Er zog sein Schwert und schrie: „Unholde! Weicht im Namen des Gekreuzigten!“ Da gellte ein entsetzlicher Schrei, da krachte das Gebälk, wankte das Haus, sank Sarg und Wand, sank Graf und Gräfin, sank der Boden samt dem Ritter tief, tief hinab in undurchdringliche Nacht.
Und was dort stand, das war ein Sarg, und in dem Sarge lag eine Leiche, die Leiche einer alten kleinen Frau, ganz weiß gekleidet, die Hände aneinander gelegt, wie zum Gebete - über den Händen aber, aus der Brust, ragte der schwarze Griff eines Dolches.
„Hier meine Mutter!“, rief der schwarze Graf. „Hier ihr Mörder!“, rief er noch einmal, dass es schaurig im Saale hallte, und brach am Sarge in die Knie. Da hob sich plötzlich die Leiche im Sarge empor und wuchs und wuchs, so riesengroß - so ungeheuer, ein grauser Spuk.
Sie deckte sich über den schwarzen Grafen und füllte mehr und mehr den Raum, und der Ritter wich zurück, bis die Wand ihn hemmte - immer grausiger wurde die entsetzliche Gestalt, immer höher - ihr weißes Antlitz war schon so groß wie der Vollmond im Aufgehen, und ihr Gewand wallte wie Nebel - ihre Hände aber gruben in der Brust des schwarzen Grafen und gruben ihm das Herz aus der Brust.
Dem Ritter flirrte es vor den Sinnen, wie Nachtflöre einer Ohnmacht! Er zog sein Schwert und schrie: „Unholde! Weicht im Namen des Gekreuzigten!“ Da gellte ein entsetzlicher Schrei, da krachte das Gebälk, wankte das Haus, sank Sarg und Wand, sank Graf und Gräfin, sank der Boden samt dem Ritter tief, tief hinab in undurchdringliche Nacht.
Fredeswind Märchenschatztruhe
Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe
"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe
"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)