18.11.2020, 12:19
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 18.11.2020, 12:32 von Fredeswind.)
Da ging sie zu ihrem Vater und schrie und sagte, sie wollte in die Welt hineingehen. Da sprach er, sie sollt hingehen in den Wald, da wollt’ er ihr ein Häuschen bauen, darin sollt’ sie ihr Lebtag sitzen und für jedermann kochen; dürfte aber kein Geld nehmen. Also ließ er ihr ein Häuschen im Wald bauen, vor der Türe ein Schild, darauf stand geschrieben: „Heute umsonst, morgen für Geld.“ Da saß sie lange Zeit und sprach es sich in der Welt herum, da säß eine Jungfrau, die kochte umsonst und das ständ vor der Türe an einem Schild.
Das hörte auch der Jäger und dachte: „Ei! das wär’ etwas für dich, du bist doch arm und hast kein Geld; nahm also seine Windbüchse und seinen Ranzen, worin noch alles steckte, was er damals im Schloss als Wahrzeichen hineingetan hatte, und ging in den Wald. Er fand auch das Häuschen mit dem Schild: „Heute umsonst, morgen für Geld.“ Er hatte aber den Degen umhängen, womit er den drei Riesen den Kopf abgehauen hatte, trat so in das Häuschen hinein und ließ sich etwas zu essen geben.
Er freute sich über das schöne Mädchen, es war aber auch bildschön. Sie fragte ihn, wo er her käm und hin wollte, da sagte er: „Ich reise in der Welt herum.“ Da fragte sie ihn, wo er den Degen her hätte, da stünde ja ihres Vaters Name darauf! Fragte er, ob sie des Königs Tochter wäre? „Ja“, sagte sie. „Mit diesem Säbel, sprach er, hab’ ich drei Riesen den Kopf abgehauen“, und holte zum Zeichen ihre Zungen aus dem Ranzen, dann zeigte er ihr auch den Pantoffel, den Schlippen vom Halstuch und das Stück vom Hemd.
Da war sie voller Freude und sagte, er wär’ derjenige, der sie erlöst hätte. Darauf gingen sie zusammen zum alten König, und die Prinzessin führte ihn in ihre Kammer und sagte ihm, der Jäger sei der rechte, der sie erlöst hätte von den Riesen. Und wie der alte König die Wahrzeichen alle sah, da konnt’ er nicht mehr zweifeln und sagte, das wär’ ihm lieb, und er sollte sie nun auch zur Gemahlin haben; darüber war die Prinzessin von Herzen froh.
Fredeswind Märchenschatztruhe
Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe
"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
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