19.11.2021, 20:20
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 19.11.2021, 20:22 von Fredeswind.)
De Vagel awerst flöög wech un sett't sik up enen Goldsmidt syn Huus un füng an to singe:
„Min Moder, de mi slacht't,
min Vader, de mi att,
min Swester, de Marleenken,
söcht alle mine Beenken,
bind't se in een syden Dook,
min Vader, de mi att,
min Swester, de Marleenken,
söcht alle mine Beenken,
bind't se in een syden Dook,
legts ünner den Machandelboom.
Kywitt, kywitt, wat vör'n schöön Vagel bün ik!“
Der Vogel aber flog weg und setzte sich auf eines Goldschmieds Haus und fing an zu singen:
"Mein Mutter die mich schlacht,
mein Vater der mich aß,
mein Schwester das Marlenichen
sucht alle meine Benichen,
bindt sie in ein seiden Tuch,
legt's unter den Wachholderbusch.
Kiwitt, kiwitt, was für'n schöner Vogel bin ich!"
De Goldsmidt seet in syn Waarkstäd un maakd ene gollne Kede, do höörd he den Vagel, de up syn Dack seet und süng, un dat dünkd em so schöön. Da stünn he up, un as he äwer den Süll güng, da vörlöör he eenen Tüffel. He güng awer so recht midden up de Strat hen, eenen Tüffel un een Sock an.
Der Goldschmied saß in seiner Werkstatt und machte eine goldene Kette; da hörte er den Vogel, der auf seinem Dach saß und sang, und das dünkte ihn so schön. Da stand er auf, und als er über die Türschwelle ging, da verlor er einen Pantoffel. Er ging aber so recht mitten auf die Strasse hin, mit nur einem Pantoffel und einer Socke.
Syn Schortfell hadd he vör, un in de een Hand hadd he de golln Kede un in de anner de Tang; un de Sünn schynd so hell up de Strat. Door güng he recht so staan un seeg den Vagel an. „Vagel,“ secht he do, „wo schöön kannst du singen! Sing my dat Stück nochmaal.“
Sein Schurzfell hatte er vor, und in
der einen Hand hatte er die goldene Kette, und in der anderen die Zange; und die Sonne schien so hell auf die Strasse. Da stellte er sich nun hin und sah den Vogel an. „Vogel“, sagte er da, „wie schön kannst du singen! Sing mir das Stück noch mal!“
der einen Hand hatte er die goldene Kette, und in der anderen die Zange; und die Sonne schien so hell auf die Strasse. Da stellte er sich nun hin und sah den Vogel an. „Vogel“, sagte er da, „wie schön kannst du singen! Sing mir das Stück noch mal!“
„Ne“, secht de Vagel, „twemaal sing ik nich umsünst. Gif my de golln Kede, so will ik dy't nochmaal singen.“ „Door“, secht de Goldsmidt, „hest du de golln Kede, nu sing my dat nochmaal.“ Do köhm de Vagel un nöhm de golln Kede so in de rechte Poot.
„Nein“, sagte der Vogel, „zweimal sing ich nicht umsonst. Gib mir die goldene Kette, so will ich es dir noch einmal singen.“ „Da“, sagte der Goldschmied, „hast du die goldene Kette; nun sing mir das noch einmal!“ Da kam der Vogel und nahm die goldene Kette in die rechte Pfote.
He güng vor den Goldsmidt sitten un süng: „Min Moder, de mi slacht't,
min Vader, de mi att,
min Swester, de Marleenken,
söcht alle mine Beenken,
bind't se in een syden Dook,
legts ünner den Machandelboom.
Kywitt, kywitt, wat vör'n schöön Vagel bün ik!“
min Vader, de mi att,
min Swester, de Marleenken,
söcht alle mine Beenken,
bind't se in een syden Dook,
legts ünner den Machandelboom.
Kywitt, kywitt, wat vör'n schöön Vagel bün ik!“
Er setzte sich vor den Goldschmied hin und sang:
"Mein Mutter die mich schlacht,
mein Vater der mich aß,
mein Schwester das Marlenichen,
sucht alle meine Benichen,
bindt sie in ein seiden Tuch,
legt's unter den Wacholderbusch.
Kiwitt, kiwitt, was für'n schöner Vogel bin ich!“
Fredeswind Märchenschatztruhe
Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe
"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
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