22.11.2021, 10:00
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 22.11.2021, 10:04 von Fredeswind.)
Da flög de Vagel wech na enem Schooster, und sett't sik up den syn Dack un süng:
„Min Moder, de mi slacht't,
min Vader, de mi att,
min Swester, de Marleenken,
söcht alle mine Beenken,
bind't se in een syden Dook,
legts ünner den Machandelboom.
Kywitt, kywitt, wat vör'n schöön Vagel bün ik!“
min Vader, de mi att,
min Swester, de Marleenken,
söcht alle mine Beenken,
bind't se in een syden Dook,
legts ünner den Machandelboom.
Kywitt, kywitt, wat vör'n schöön Vagel bün ik!“
De Schooster höörd dat und leep vör syn Döhr in Hemdsaarmels, un seeg na syn Dack un mussd de Hand vör de Ogen hollen, dat de Sünn em nich blend't. „Vagel,“ secht he, „wat kannst du schöön singen.“ Do rööp he in syn Döhr henin: „Fru, kumm maal heruut, dar is een Vagel: süh maal den Vagel, de kann maal schöön singen.“
Da flog der Vogel fort zu einem Schuster, und setzt sich auf sein Dach und sang:
„Mein Mutter die mich schlacht,
mein Vater der mich aß,
meine Schwester das Marlenichen,
sucht alle meine Benichen,
bindt sie in ein seiden Tuch,
legt's unter den Wacholderbusch.
Kiwitt, kiwitt, was für'n schöner Vogel bin ich!“
„Mein Mutter die mich schlacht,
mein Vater der mich aß,
meine Schwester das Marlenichen,
sucht alle meine Benichen,
bindt sie in ein seiden Tuch,
legt's unter den Wacholderbusch.
Kiwitt, kiwitt, was für'n schöner Vogel bin ich!“
Der Schuster hörte das und lief in Hemdsärmeln vor seine Tür und sah zu seinem Dach hinauf und musste die Hand vor die Augen halten, dass die Sonne ihn nicht blendete. „Vogel“, sagte er, „was kannst du schön singen.“ Da rief er zur Tür hinein: „Frau, komm mal heraus, da ist ein Vogel; sieh doch den Vogel.
Do rööp he syn Kinner un Gesellen, Jung un Maagd, un se kömen all up de Strat un seegen den Vagel an, wo schöön he wöör, un he hadd so schööne Feddern un de Ogen blünken em im Kopp as Steern. „Vagel“, sägd de Schooster, „nu sing my dat Stück nochmaal.“ „Ne“, secht de Vagel, „tweemal sing ik nich umsünst, du must my wat schenken.“
Dann rief er seine Kinder und den Gesellen, den Lehrjungen und die Magd, und sie kamen alle auf die Strasse und sahen den Vogel an, wie schön er war; und er hatte so schöne Federn und die Augen blickten ihm wie Sterne im Kopf. „Vogel“, sagte der Schuster, „nun sing mir das Stück noch einmal!“ „Nein“, sagte der Vogel, „zweimal sing ich nicht umsonst, du musst mir etwas schenken.“
Dann rief er seine Kinder und den Gesellen, den Lehrjungen und die Magd, und sie kamen alle auf die Strasse und sahen den Vogel an, wie schön er war; und er hatte so schöne Federn und die Augen blickten ihm wie Sterne im Kopf. „Vogel“, sagte der Schuster, „nun sing mir das Stück noch einmal!“ „Nein“, sagte der Vogel, „zweimal sing ich nicht umsonst, du musst mir etwas schenken.“
„Fru“, säd de Mann, „gah na dem Bähn: up dem bäwelsten Boord, door staan een Poor rode Schö, de bring herünn.“ Do güng de Fru hen un hahl de Schö. „Door, Vagel“, säd de Mann, „nu sing my dat Stück nochmaal.“
„Frau“, sagte der Mann, „geh auf den Boden, auf dem obersten Wandbrett, da stehen ein paar rote Schuh, die bring herunter!“ Da ging die Frau hin und holte die Schuhe. „Da, Vogel“, sagte der Mann, „nun sing mir das Lied noch einmal!“
Do köhm de Vagel und nöhm de Schö in de linke Klau, un flöög wedder up dat Dack un süng:
„Min Moder, de mi slacht't,
min Vader, de mi att,
min Swester, de Marleenken,
söcht alle mine Beenken,
bind't se in een syden Dook,
legts ünner den Machandelboom.
Kywitt, kywitt, wat vör'n schöön Vagel bün ik!“
„Min Moder, de mi slacht't,
min Vader, de mi att,
min Swester, de Marleenken,
söcht alle mine Beenken,
bind't se in een syden Dook,
legts ünner den Machandelboom.
Kywitt, kywitt, wat vör'n schöön Vagel bün ik!“
Da kam der Vogel und nahm die Schuhe in die linke Klaue und flog wieder auf das Dach und sang:
„Mein Mutter die mich schlacht,
mein Vater der mich aß,
mein Schwester das Marlenichen
sucht alle meine Benichen,
bindt sie in ein seiden Tuch,
legt's unter den Wacholderbusch.
Kiwitt, kiwitt, was für', schöner Vogel bin ich!"
Un as he uutsungen hadd, so flöög he wech: de Kede hadd he in de rechte und de Schö in de linke Klau, un he flöög wyt wech na ene Mähl, un de Mähl güng 'klippe klappe, klippe klappe, klippe klappe'. Un in de Mähl, door seeten twintig Mählenburßen, de hauden enen Steen und hackden 'hick hack, hick hack, hick hack', un de Mähl güng 'klippe klappe, klippe klappe, klippe klappe.'
Und als er ausgesungen hatte, da flog er weg; die Kette hatte er in der rechten und die Schuhe in der linken Kralle, und er flog weit weg, zu einer Mühle, und die Mühle ging: 'klippe klappe, klippe klappe, klippe klappe'. Und bei der Mühle saßen Mühlknappen, die klopften einen Stein und hackten: 'hick hack, hick hack, hick hack'; und die Mühle ging 'klippe klappe, klippe klappe, klippe klappe'.
Fredeswind Märchenschatztruhe
Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe
"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
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