22.11.2021, 10:52
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 22.11.2021, 11:02 von Fredeswind.)
Un as he dat uutsungen hadd, do deed he de Flünk von eenanner, un hadd in de rechte Klau de Kede un in de linke de Schö un üm den Hals den Mählensteen, un floog wyt wech na synes Vaders Huse.
Und als er das ausgesungen hatte, da tat er die Flügel auseinander und hatte in der rechten Kralle die Kette und in der linken die Schuhe und um den Hals den Mühlenstein, und flog weit weg zu seines Vaters Haus.
In de Stuw seet de Vader, de Moder un Marleenken by Disch, un de Vader säd: „Ach, wat waart my licht, my is recht so good to Mode.“ „Nä“, säd de Moder, „my is recht so angst, so recht, as wenn en swoor Gewitter kummt.“ Marleenken awerst seet un weend un weend.
In der Stube saß der Vater, die Mutter und Marlenchen bei Tisch, und der Vater sagte: „Ach, was wird mir so leicht, mir ist so recht gut zumute.“ „Nein“, sagte die Mutter, „mir ist so recht angst, so recht, als wenn ein schweres Gewitter käme.“ Marlenchen aber saß und weinte und weinte.
Da köhm de Vagel anflogen, un as he sik sett't, säd de Vader: „Ach, my is so recht freudig, un de Sünn schynt buten so schöön, my is recht, as schull ik enen olen Bekannten weddersehn.“ „Ne“, säd de Fru, „my is so angst, de Täne klappern my, un dat is my as Führ in den Adern.“
Da kam der Vogel angeflogen, und als er sich setzte, da sagte der Vater: „Ach, mir ist so recht freudig, und die Sonne scheint so schön, mir ist ganz, als sollte ich einen alten Bekannten wiedersehen!“ „Nein“, sagte die Frau, „mir ist angst, die Zähne klappern mir und mir ist, als hätte ich Feuer in den Adern.“
Un se reet sik ehr Lyfken up un so mehr, awer Marleenken seet in en Eck un weend, un hadd eeren Platen vör de Ogen, un weend den Platen ganß meßnatt.
Und sie riss sich ihr Kleid auf, um Luft zu kriegen. Aber Marlenchen saß in der Ecke und weinte, und hatte ihre Schürze vor den Augen und weinte die Schürze ganz und gar nass.
Do sett't sik de Vagel up den Machandelboom un süng:
„Min Moder, de mi slacht't“, -
Do hüll de Moder de Oren to un kneep de Ogen to, un wull nich sehn un hören, awer dat bruusde ehr in de Oren as de allerstaarkste Storm, un de Ogen brennden ehr un zackden as Blitz.
„Min Vader, de mi att“, -
„Min Moder, de mi slacht't“, -
Do hüll de Moder de Oren to un kneep de Ogen to, un wull nich sehn un hören, awer dat bruusde ehr in de Oren as de allerstaarkste Storm, un de Ogen brennden ehr un zackden as Blitz.
„Min Vader, de mi att“, -
Da setzte sich der Vogel auf den Machandelbaum und sang:
„Meine Mutter die mich schlacht“, -
Da hielt sich die Mutter die Ohren zu und kniff die Augen zu und wollte nicht sehen und hören, aber es brauste ihr in den Ohren wie der allerstärkste Sturm und die Augen brannten und zuckten ihr wie Blitze.
„Mein Vater der mich aß“-
Fredeswind Märchenschatztruhe
Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe
"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
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