28.04.2023, 17:02
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 28.04.2023, 17:03 von Fredeswind.)
Der Schneider freute sich, als er ihn wiedersah, und fragte auch ihn, was er in der Fremde gelernt hätte. „Lieber Vater“, antwortete er, „ich bin ein Drechsler geworden.“ - „Ein kunstreiches Handwerk!“, sagte der Vater, „was hast du von der Wanderschaft mitgebracht.“ - „Ein kostbares Stück, lieber Vater“, antwortete der Sohn, „einen Knüppel in dem Sack.“
„Was!“, rief der Vater, „einen Knüppel? Das ist der Mühe wert! Den kannst du dir von jedem Baume abhauen.“ - „Aber einen solchen nicht, lieber Vater! Sage ich: ,Knüppel aus dem Sack!' - so springt der Knüppel heraus und macht mit dem, der es nicht gut mit mir meint, einen schlimmen Tanz und lässt nicht eher nach, als bis er auf der Erde liegt und um gut Wetter bittet. Seht Ihr, mit diesem Knüppel habe ich das Tischchendeckdich und den Goldesel wieder herbeigeschafft, die der diebische Wirt meinen Brüdern abgenommen hatte. Jetzt las sie beide rufen und ladet alle Verwandten ein, ich will sie speisen und tränken und will ihnen die Taschen mit Gold füllen.“
Der alte Schneider wollte nicht recht trauen, brachte aber doch die Verwandten zusammen. Da deckte der Drechsler ein Tuch in die Stube, führte den Goldesel herein. Er sagte zu seinem Bruder: „Nun, lieber Bruder, sprich mit ihm.“ Der Müller sagte: „Bricklebrit!“ - und augenblicklich sprangen die Goldstücke auf das Tuch herab, als käme ein Platzregen, und der Esel hörte nicht eher auf, als bis alle so viel hatten, dass sie nicht mehr tragen konnten.
Dann holte der Drechsler das Tischchen und sagte: „Lieber Bruder, nun sprich mit ihm.“ Und kaum hatte der Schreiner: „Tischchen' deck' dich!“, gesagt, so war es gedeckt und mit den schönsten Schüsseln reichlich besetzt. Da ward eine Mahlzeit gehalten, wie der gute Schneider noch keine in seinem Hause erlebt hatte, und die ganze Verwandtschaft blieb zusammen bis in die Nacht und waren alle lustig und vergnügt.
Der Schneider packte Nadel und Zwirn, Elle und Bügeleisen weg und lebte mit seinen drei Söhnen in Freude und Herrlichkeit.
Fredeswind Märchenschatztruhe
Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe
"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
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