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Am letzten Abende des nachbarlichen Hochzeitfestes lief wieder alles hinüber zum Schlosse, und auch der Prinz fuhr wieder hin. Da bat Aschenpüster zum drittenmal um Erlaubnis, auch zusehen zu dürfen, darüber schüttelte der Koch sehr den Kopf, dass der Junge so neugierig sei, doch dachte er: Jugend hat nicht Tugend, und sagte: „Es ist heute das letzte Mal, laufe hin!“
Aschenpüster lief geschwinde in den Park in die Eiche, zog das Diamantkleid an, zauberte sich wieder Rosse und Wagen, Kutscher und Lakaien und erschien wie ein lebendiger Schönheitsstrahl beim Feste.
Der Prinz tanzte vor allem mit ihr und nur mit ihr und fragte sie zärtlich, wie sie denn heiße. Aschenpüster lächelte schelmisch und antwortete: „Cinerosa Bürstankopf.“
Den Vornamen, der auf Rosa ausging, fand der Prinz, zumal er kein Latein verstand, sehr schön, den Zunamen befremdlich - er hatte diese gewiss reiche und angesehene Familie noch nie nennen hören.
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Doch sprach er, von Liebe bezwungen, indem er ihr seinen Ring an einen Finger schob: „Wer du auch sein magst, schönste Cinerosa! Mit diesem Ringe verlobe ich mich dir!“ Mit hoher Schamröte auf den Wangen blickte Aschenpüster zur Erde und zitterte.
Gleich darauf entfernte sie sich, als der Prinz nur einen Augenblick seine Augen anderswohin wandte. Schnell saß sie im Wagen, aber der Prinz hatte soeben Befehl gegeben, den seinen dicht hinter dem ihren aufzufahren, damit er ihr folgen könne. Aschenpüster schwang ihre Wünschelgerte und sprach:
„Hinter mir dunkel, und vor mir klar,
Dass niemand sehe, wohin ich fahr!“
Und da rollte sie hin - rasch saß jetzt auch der Prinz in seinem Wagen und rollte ihr nach, aber da war ihr Wagen nicht mehr zu sehen, gleichwohl hörte man dessen Räder rollen, und so folgte der Prinz diesem Schall. Der Tanz hatte dieses Mal am längsten gedauert.
Schon zog der frühe Morgen dämmernd heran; die Stunde war bereits da, in der die Küchenarbeit begann, Aschenpüster zauberte schnell ihren Wagen und ihre Bedienung fort. Sie hatte nicht Zeit, sich erst umzukleiden, sie verbarg daher eiligst ihr Diamantkleid unter dem Krähenpelze und eilte in die Küche.
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22.03.2018, 14:41
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 22.03.2018, 14:44 von Fredeswind.)
Der Prinz aber, welcher dem Wagen des herrlichen Mädchens nachgefahren war, sah sich mit Verwunderung dicht vor seinem eigenen Schlosse und wusste nicht, wie ihm geschah, war daher wieder sehr missmutig und dazu sehr unmustern (mundartlich für unruhig, ärgerlich) und übernächtig.
„Unser Prinz ist gar nicht wohl auf!“, sagte zu Aschenpüster der Koch. „Er muss ein Kraftsüpplein haben oder eine Schokolade - zünde rasch Feuer an.“ Der Morgenimbiss wurde schnell bereitet, Aschenpüster warf des Prinzen Ring hinein.
Der Koch trug die Tasse auf. Der Prinz trank und fand am Boden mit Erstaunen seinen Ring und fragte hastig: „Wer war so früh schon in der Küche?“ „Euer Durchlaucht, niemand als ich und der Aschenpüster.“, antwortete der Koch.
„Schicke mir diesen Burschen gleich einmal herein!“, gebot der Prinz. Als Aschenpüster kam, sah ihn der Prinz ganz scharf an, aber der Krähenpelz verhüllte alle Schönheit.„Komme her, tritt näher, Aschenpüster!“, gebot der Prinz. „Komm, kämme mich, meine Frisur liegt noch in den Federn!“
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Aschenpüster gehorchte; sie trat ganz nahe an den Prinzen heran und strählte ihm mit elfenbeinernem Kamme das volle weiche Haar. Der Prinz befühlte den Krähenpelz; derselbe war an einigen Stellen abgetragen, daher etwas mürb und fadenscheinig.
Durch die abgeschabten Fäden blitzte es so funkelklar wie Morgentau, das war der Diamantglanz des Prachtgewandes, das Aschenpüster noch unter ihrem Krähenpelze trug.„Jetzt kenne ich dich, o Liebe!“, rief voll unaussprechlicher Freude der Prinz. „Jetzt bist du mein, jetzt bin ich dein! Auf ewig!“ Und schloss die Braut in die Arme und küsste sie.
Kurz vor der Hochzeit bat die schöne Braut sich von ihrem geliebten Bräutigam noch eine Gnade aus. Der gute Koch, der Aschenpüster so wohlwollend aufgenommen und so freundlich und gütig behandelt hatte, empfing von dem Prinzen den Ritterschlag und wurde zum Erbtruchsess erhoben.
Das war ihm recht, da brauchte er das Essen nicht mehr zu kochen, wie sonst, sondern konnte es an der fürstlichen Tafel in aller Ruhe selbst mit verzehren helfen, und als die Hochzeit prachtvoll gefeiert wurde, da trug er im vollen Glanze seiner neuen Würde, geschmückt mit Stern und Orden, dem prinzlichen Paare mit eigener Hand die Speisen auf.
ENDE
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22.03.2018, 18:29
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 29.11.2019, 10:36 von JTD.)
Schön, dass ich durch dich diese neue Märchenversion kennenlernen konnte!
Allerdings gefällt mir das Verhalten von "Aschenpüster" am Anfang des Märchens nicht wirklich und das Verhalten des Vaters finde ich auch nicht in Ordnung. Ich kann immer noch nicht entscheiden, in wieweit er Schuld am Betragen seiner Tochter ist (durch Verziehen) und inwieweit tragisches Opfer.
Daher konnte ich auch in der Folge nicht so recht mit dem Mädel mitfühlen.
Und hätte ich die Wünschelgerte besessen, ich hätte damit ganz andere Dinge angefangen.
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22.03.2018, 18:45
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 29.11.2019, 10:36 von JTD.)
Hallo Irmi,
ich nehme an, Du hast den Text wieder wörtlich von Bechstein übernommen?
Ich weiß nicht, irgendwie fehlt hier die Moral von der Geschicht'. Ines schreibt: "So ein verzogenes Gör!", Sissy schreibt: "Nun was immer ihr passiert im weiteren Märchen, sie wird es wohl verdient haben! " Ja, dem schließe ich mich an.
Und was passiert: Sie kriegt den Prinzen! Das ist das, was sie verdient hat?
Und Du hast geschrieben: "Eine Version mit den drei Königstöchtern und deren Liebe zum Vater habe ich noch gar nicht solange fotografiert. (...) Dann muss ich dies Märchen wohl als nächstes neues einstellen."
Menno, das ist jetzt schon ewige 4 Stunden her - und das neue Märchen ist immer noch nicht online!
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22.03.2018, 19:11
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 29.11.2019, 10:37 von JTD.)
Also erstmal danke für das hochinteressante Märchen. Ich kannte es tatsächlich bis dahin nur dem namen nach. Schön a mal auf diese Weise kennenzulernen.
Wie immer gebührt Dir mein allergrößter Dank, liebe Märchenfee.
Fredeswind schrieb:Ischade schrieb:Allerleirauhs Vater gedachte ja nach dem Tod seiner Frau seine Tochter zu heiraten... Aschenprüsters allein erziehneder Vater schien sich ja mit Küssen bestechen zu lassen... Nur scheint Aschenpüster aus diesen inzestiven Anwandlungen ihren Nutzen zu schlagen, während Allerleihrau dies gänzlich ablehnte.
Auf jeden Fall sehr spanntend. Auch die Fortsetzung ist wieder sehr gelungen.
Ist die Frage, wie man einen Kuss interpretiert, ein Kuss zwischen Vater und Tochter ist meines Erachtens nicht verwerflich, dagegen der deutliche Wunsch seine leibliche Tochter heiraten zu wollen schon, zumindest in unserer Kultur.
LG von der Märchenfee Fredeswind
Nun, das mit dem "küssen" war in den niedergeschriebenen Märchen oft eine jugendfreie Version der ursprünglich mündlich weitergegebenen Märchen. (Bei Bechstein weiß ich es nicht, aber gerade die Grimms ließen sich die Märchen zumeist von Töchtern aus gutem Hause erzählen, die sicher auch nur die jugendfreien Versionen kannten...)
Wenn man bedenkt, welche Strapazen und Verluste selbst seines eigenen Lebens und seiner Seele, der Vater da in Kauf nimmt, kann ich mir kaum vorstellen, dass es tatsächlich nur eines Küsschens auf die Wange wegen geschah...
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(22.03.2018, 18:45)JTD schrieb: Und Du hast geschrieben: "Eine Version mit den drei Königstöchtern und deren Liebe zum Vater habe ich noch gar nicht solange fotografiert. (...) Dann muss ich dies Märchen wohl als nächstes neues einstellen."
Menno, das ist jetzt schon ewige 4 Stunden her - und das neue Märchen ist immer noch nicht online!
:
Gedult! Gedult!!!!
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22.03.2018, 20:05
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 29.11.2019, 10:38 von JTD.)
(22.03.2018, 19:11)Ischade schrieb: Also erstmal danke für das hochinteressante Märchen. Ich kannte es tatsächlich bis dahin nur dem namen nach. Schön a mal auf diese Weise kennenzulernen.
Wie immer gebührt Dir mein allergrößter Dank, liebe Märchenfee.
(22.03.2018, 13:57)Fredeswind schrieb: (21.03.2018, 14:15)Ischade schrieb: Allerleirauhs Vater gedachte ja nach dem Tod seiner Frau seine Tochter zu heiraten... Aschenprüsters allein erziehneder Vater schien sich ja mit Küssen bestechen zu lassen... Nur scheint Aschenpüster aus diesen inzestiven Anwandlungen ihren Nutzen zu schlagen, während Allerleihrau dies gänzlich ablehnte.
Auf jeden Fall sehr spanntend. Auch die Fortsetzung ist wieder sehr gelungen.
Ist die Frage, wie man einen Kuss interpretiert, ein Kuss zwischen Vater und Tochter ist meines Erachtens nicht verwerflich, dagegen der deutliche Wunsch seine leibliche Tochter heiraten zu wollen schon, zumindest in unserer Kultur.
LG von der Märchenfee Fredeswind
Nun, das mit dem "küssen" war in den niedergeschriebenen Märchen oft eine jugendfreie Version der ursprünglich mündlich weitergegebenen Märchen. (Bei Bechstein weiß ich es nicht, aber gerade die Grimms ließen sich die Märchen zumeist von Töchtern aus gutem Hause erzählen, die sicher auch nur die jugendfreien Versionen kannten...)
Wenn man bedenkt, welche Strapazen und Verluste selbst seines eigenen Lebens und seiner Seele, der Vater da in Kauf nimmt, kann ich mir kaum vorstellen, dass es tatsächlich nur eines Küsschens auf die Wange wegen geschah...
Dem schließe ich voll an.
Ich beschäftige mich ja schwerpunktmäßig mit dem Vergleich der verschiedenen Versionen eines Märchens, um auf Grundlage dessen zu einer vollständigeren bzw. zumindest für mich plausiblen Version zu gelangen.
Und da wir es hier eindeutig mit einer Version von Allerleirauh zu tun haben (Motiv 510 B) und sich dieses Märchenmotiv dadurch charakterisiert wird, dass der Ausgangskonflikt eine inzestuöse Beziehung ist, aus der die "Heldin" sich lösen muss, um schließlich fähig zu werden, eine Partnerbeziehung einzugehen, werden die Küsse wohl für diese Inzestbeziehung stehen.
Diese Inzestbeziehung verleiht der Heldin einerseits Glanz (die Kleider), sie fühlt sich wichtig, etwas Besonderes, andererseits bewirkt sie ihre Scheu gegenüber einem potentiellen, gleichaltrigen Partner (dem Prinzen, das Weglaufen vom Ball).
Wenn man den Vater als inzestuös sieht, erklärt das auch den Verlust seiner Seele und seinen Tod, als die Tochter sich nach einem Partner umschaut.
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Ich danke für dieses schön umgesetzte Märchen, auch wenn ich mit der Story nicht wirklich warm geworden bin.
Aber trotzdem danke. Ich kante das Märchen so vorher nicht bin aber so kein Märchenfachmann.
Ines auch dir vielen dank zu der Erklärung, das kann man wohl studieren und ein Doktorarbeit schreiben oder?
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