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Reisebekanntschaften
#1
Im Ursprung hatte ich ja nicht geplant, die Geschichte mit auf die Insel zu holen, aber da der Vampir und die alte Dame nun wohl doch eine Fortsetzung bekommen werden, hier noch mal für alle, die die Geschichte nicht kennen oder sich nicht mehr daran erinnern oder sie vielleicht einfach gern nochmal lesen wollen:

Reisebekanntschaften


   

Seit Stunden rollt die Postkutsche über die staubigen Straßen. Drinnen sitzt eine ältere Dame. Sie lächelt und Falten umspielen ihre Mundwinkel.  Sie sieht nach draußen und ihre Augen wirken so weise, als hätten sie schon alles gesehen.

   

Ihr gegenüber sitz ein junger Mann.  Ein Gentleman durchaus, Anfang 20 und überaus blass. Er hat die Vorhänge zugezogen, ein Kissen über sein Gesicht gelegt  und dämmert vor sich hin. Ein Umstand, den Lucie Capek gar nicht zusagte. Es war der letzte Tag des Jahres und sie hätte gern Unterhaltung gehabt.

   

Sie bereute, alles Wichtige oben im Koffer auf dem Kutschendach zu haben.  Die Gegend gab nicht viel her. Ihr fehlten die wunderschönen Gärten in Prag mit den mächtigen Bäumen und den vielen bunten Blumen. Um diese Zeit würde dort Schnee liegen und nur noch die die dunklen Tannen hatten noch ihre Nadeln.  Die Bilder in ihrem Gedächtnis waren schnell wieder verschwunden, als sie von dem Mann ihr gegenüber ein Räuspern vernahm.
Danteslav  Orlok nahm sich das Kissen vom Gesicht, zog den Vorhang zur Seite und blickte ebenfalls nach draußen. Die Sonne war untergegangen und die Nacht begann. Die letzte Nacht des Jahres 1899. Und er fuhr mit der Kutsche durch den Westen Amerikas. Freiheit hatte man ihm hier versprochen. Jedoch alles was er bisher hier erlebt hatte, war allenfalls rückständiger als in seiner alten Heimat. Aber war er nicht vor all der Veränderung des modernen Lebens geflohen?

   

Er sah zu der Frau gegenüber. Er hatte sie bereits auf dem Schiff gesehen, das sie über den weiten Ozean  gebracht hatte. Sie hatte ihn wohl kaum gesehen, was nicht daran lag, dass sie blind gewesen war, sondern daran, dass er sich nur nachts auf dem Schiff blicken ließ, da er beliebte in einer Kiste zu reisen. Diese Kiste war nun oben auf dem Dach der Kutsche festgezurrt und er saß hier. Er hatte gestern Morgen schon darüber nachgedacht, die Kutsche anhalten zu lassen. Aber was hätte er dem Kutscher sagen sollen? Also hatte er sich in seinen Mantel gehüllt und das weiche Kissen für den Nacken vors Gesicht gelegt um möglichst vor der Sonne geschützt zu sein. Er hoffte noch, dass hier nicht zu viele Passagiere mit Läusebefall mitfahren würden. Aber was sollten diese ihm schon anhaben. Sein Blut konnte keiner Laus munden.

   

„Haben Sie gut geschlafen?“ beginnt Frau Capek das Gespräch.  Sie war es einfach nicht gewöhnt so lange zu schweigen. Sie und ihr Mann hatten sich nächtelang unterhalten und wann immer er neue Theorien im Kopf hatte, teilte er sie mit seiner Frau. Wenn er in seiner Werkstadt war und an seinen Erfindungen herumschraubte, war sie bei ihm, reichte ihm Werkzeug, brachte ihm Kaffee und erörterte auftretende Probleme. Die meisten seiner Erfindungen hätte es  ohne sie vielleicht gar nicht gegeben.

   

Aber vor zwei Jahren war er gestorben.  Er war einfach in seinem Sessel eingeschlafen. H.E.I.N.Z. (Hilfseinheit im Normalzustand) - seine letzte Erfindung - lief um ihn herum und wusste nicht, was er tun sollte, da seine letzte Programmierung noch nicht vollendet gewesen war.  Lucie erinnerte sich, wie sie erst den Roboter abstellte, um ihn später zu vollenden, wenn sie alle Unterlagen ihres Mannes durchsucht hatte. Dann hatte sie sich darum gekümmert, Josef unter die Erde zu bringen.  Es hatte fast ein Jahr gedauert, bis alles was ihr Mann angefangen hatte, irgendwie beendet  – fertiggestellt oder auseinandergebaut – war. Dann hatte sie das Haus bis auf den letzten Nagel verkauft und von dem Geld die Reise bezahlt auf der sie sich nun immer noch befand.
„Nun, ich habe schon besser geschlafen.“ Lächelte Danteslav. So viel Freundlichkeit begegnete er in seinem Leben nur selten.  Er hatte die letzten  Jahrhunderte mit seinem Bruder auf dem alten Familiensitz verbracht. Eine uralte zugige Burg in der Tatra.  Sein älterer Bruder war ohne Frage der Graf der Gegend auch wenn die Bevölkerung dies schon seit langer Zeit anders sah. Also erstreckte sich seine Grafschaft ausschließlich auf die langsam zerfallenden Mauern des Schlosses Orlok. Er war  er der Ältere gewesen. Zwei Jahre. Was für einen Unterschied machte das bei den 700 Jahren, die sie schon dort gemeinsam verbrachten?

   

Danteslav war es leid gewesen, der einzige Untergebene seines Bruders zu sein. Zu den Dörfern hinabschleichen und dann mit irgendeiner Jungfer wieder hinaufklettern.  Er hatte oft darüber nachgedacht, einfach Feuer zu legen. Möge das Schloss einfach brennen, wie die Dorfbewohner es schon mehrfach versucht hatten, weil sie die Entführungen der Mädchen vergelten wollten.  Vor einiger Zeit kam sogar ein Mann von der Regierung, der wegen der Machenschaften seines Bruders in der Gegend ermittelte. Nein, es war einfach Zeit zu gehen. Sich einfach wegzustehlen, war nur eine Schwierigkeit. Geweihte Erde in eine Kiste zu tun und diese auf einen Wagen zu laden, war nicht schwer gewesen. Auch einen großen Teil des Familienvermögens mit sich zu nehmen, war einfacher als er gedacht hatte.  Sein Bruder, der Graf, kümmerte sich nie um das was er tat. Die Probleme begannen erst, als er  das Geld auf eine Bank bringen wollte und keine Papiere vorlegen konnte. Und als er über die erste Grenze wollte und man Papiere von ihm verlangte. Natürlich hatte er diese immer noch nicht. Man hatte ihn verhaftet und eingesperrt. Zum Glück in eine dunkle Zelle mit Ratten. Aber als die Monate abgelaufen waren, hatte er sich erneut auf den Weg gemacht. Andernorts bestand man darauf, ihn zu fotografieren und auch da kamen Schwierigkeiten auf.  Jetzt aber lag das alles erstmal hinter ihm. Er hatte noch keine Ahnung, wohin es nun endgültig gehen sollte. Aber der Weg war schon mal der Richtige und manchmal ist der Weg wichtiger als das Ziel.

   

„Wie weit fahren Sie mit?“ begann Lucie Capek erneut das Gespräch. 
„Nun, ich denke, erst einmal bis San Francisco. Es sein denn  irgendwo vorher gefällt es mir.“ Orlok lächelt. Wohl bedacht darauf, den Mund nicht so weit zu öffnen, dass man seine Eckzähne sehen könnte.
„Oh, das gefällt mir. Nur fürchte ich heute Nacht werden wir kaum einen solch einladenden Ort. finden“
Bald würde die Kutsche Rast machen. Der Kutscher brauchte Schlaf, die Kutsche neue ausgeruhte Pferde und Lucie sehnte sich danach, ein wenig herum zu laufen. Außerdem war Silvester. Ein ganz besonderes Silvester. Ein neues Jahrhundert begann. Keiner wusste, was es bringen würde. Die Welt wirkte so groß wie noch nie und wenn es nach Lucie ging, wollte sie jeden Winkel davon entdecken. Nein, es würde keinen Ort geben, an dem sie bleiben würde.

   

„Ihr Akzent erinnert mich an meine Heimat.“ Stellte Danteslav Orlok fest.  Das letzte womit er gerechnet hatte war diesen Akzent noch einmal wiederzuhören.
„Ich lebte die meiste Zeit meines Lebens im Prag.“ Sie lächelt leise.
„Und, wo treibt es sie hin, so weit von zu Hause?“
Lucie Capek überlegt kurz.  Nun, sie war es, die das Gespräch begann und sich unterhalten wollte. Und nun schwebte diese Frage im Inneren der Kutsche und sie wusste nicht wirklich was sie antworten sollte. Was er verstehen würde. Normalerweise lebten Frauen ihres Alters in einem Haus und bekochten ihre Enkelkinder.
„In das neue Jahrhundert!“  sagt sie und genau das ist auch die Antwort.
„Dann haben wir anscheinend denselben Weg!“  Orlok nimmt den Hut ab und verbeugt sich soweit es in der Kutsche möglich ist.

   

„Mein Name ist Danteslav Orlok. Graf Orlok.“
„Ein echter Graf.“ Lucie ergreift seine dargebotene Hand. „Ich bin Lucie Carpek.“
„Erfreut, Sie kennen zu lernen.“
Von draußen hören sie den Kutscher die Pferde stoppen und die Kutsche kommt zum Stehen.  Die beiden Passagiere hatten seit Beginn ihrer Unterhaltung nicht mehr aus dem Fenster gesehen und so gar nicht mitbekommen, dass sie einen kleinen Ort erreicht haben. Dann öffnet sich die Tür und der Kutscher schaut herein.

   

„Wir sind in Bevertown. Hier geht es morgen früh weiter. Dort drüben ist ein Hotel.“ Seine schwieligen Finger zeigen zu einem Haus die Straßen hinunter.
Orlok steigt aus, streckt sich kurz und bietet dann seiner Mitreisenden die Hand zum Aussteigen.
„Vielleicht hätte ich doch den Zug nehmen sollen.“ Scherzt die Dame.

   
    
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#2
„Dann hätte ich aber das Vergnügen ihrer Gesellschaft versäumt.“  Danteslav bietet ihr seinen Arm an. „Wollen wir in den Saloon gehen?“ fragt er Lucie.
 „Lassen Sie unser Gepäck bitte vorsichtig ins Hotel bringen.“ Wendet er sich an den Kutscher  und wirft ihm ein Goldstück zu. Fast automatisch beißt dieser darauf, um seine Echtheit zu testen. Dabei sieht er kaum so aus, als würde er Gold schon einmal gekostet haben.

   

„Mit Vergnügen mein Herr.“ Verbeugt er sich und geht zum Stall hinüber, um ein paar der Burschen zum Tragen zu holen.
Lucie Carpek und Danteslav Orlok schlendern derweil zum Saloon hinüber. Sicher ist Danteslav klar, dass es höchst unpassend wäre, hier seinen gewohnten Speiseplan einzuhalten. Zumal das Dorf kaum größer ist als die kleinen Dörfer rund um die Burg seiner Ahnen. Nein, das wäre höchst unpassend und gefährlich. Es ist Silvester – nicht nur irgendein Silvester, sondern der Beginn eines neuen Jahrhunderts – alle werden wach sein und wenn er ehrlich war, würde er den Abend auch lieber mit Frau Carpek verbringen als auf der Flucht.

   

Die Pendeltür schwingt hinter ihnen wieder zusammen. Wie Danteslav bereits erwartete, ist der Raum voller Menschen. Sie sitzen an den Tischen, trinken, spielen Karten und krakeelen herum.  An der Seite sitzt ein Kerl am Klavier und gibt was er kann, während eine recht leicht bekleidete Dame auf der kleinen Bühne ihr Bestes gibt, um das Publikum zu unterhalten.

   

Hinten in der Ecke gibt es noch einen kleinen Tisch, an dem niemand sitzt. Der Wirt scheint ihn heute extra sauber gemacht zu haben. Ach, nicht schon wieder sitzen, denkt sich Lucie. „Lassen Sie uns doch zur Bar vorgehen. Da sieht man uns wenigstens.“ Schlägt sie vor. Da Danteslav sowieso nichts essen will, ist es ihm egal und sie gehen durch den Raum hindurch unter den Blicken der Einheimischen zur Bar.
„Was haben Sie zu Essen, junger Mann?“ wendet sie sich resolut an den dicken Mann hinter dem Tresen.
„Brot und Speck haben wir noch. Wenn Madam wünscht, können wir ihn auch noch braten.“ Erklärt dieser.
„Ja gerne. Zwei Portionen bitte.“ Bestellt Lucie. „Nein, bitte für mich nichts.“ Fällt ihr Orlok ins Wort.
Sie sieht ihn irritiert an aber bestellt dann das Essen für sich allein.

   

„Ich habe noch etwas in der Kutsche vergessen.“ Entschuldigt sich Danteslav bei seiner Begleitung. „Bitte beginnen Sie keine Schlägerei, während ich weg bin.“ Scherzt er und geht noch einmal durch die Menge nach draußen. Die Straße ist leer. Alle die noch wach sind, sind im Saloon und warten auf das Ende eines Jahrhunderts. Er selbst wartet nur auf das Ende seines Hungers und vielleicht auf das Ende einer sterblichen Kreatur. Vorsichtig geht er im Schatten der Häuser zurück zum Stall.

   

Morgen bekommt die Kutsche neue frische Pferde für das nächste Stück Richtung Westküste. Die Pferde der letzten Etappe bleiben hier und warten auf die nächste Postkutsche. Sie werden tief schlafen nach der langen Tour. Auch die Stallburschen sind inzwischen drüben im Saloon. Niemand ist hier. Danteslav schleicht sich zu den schlafenden Tieren, streichelt ihnen sanft über den Hals und sucht sich eine Stelle, die größtenteils von der Mähne verdeckt sein dürfte. In diese schlägt er seine Zähne. Das Pferd zuckt kurz aber schläft weiter, wenn auch unruhig. Das Blut der Barsängerin hätte ihm wohl besser geschmeckt. Aber man kann eben nicht alles haben.

   

Der Speck duftet lecker, wenn auch das Brot vom Vortag zu sein scheint. Nun, es ist wohl besser, wenn sie es nun isst, als dass es noch in das neue Jahrhundert mitgenommen wird, denkt sich Lucie und spült sich die trockenen Bissen mit Bier herunter.  Kaum so gut wie das Bier in Prag, aber dafür kann man wohl mehr davon trinken. Und dann entdeckt sie Danteslav an der Tür. Ohne darüber nachzudenken, beginnt sie ihm zu winken, als wäre er ein alter Freund. Sicher ist er ein Fremder, aber es kommt ihr so vor, als wäre sie verwandte Seelen. Vielleicht weil sie beide schon seit Monaten auf demselben Weg  hierhergekommen waren.  Oder auch weil sie spürt, dass der Fremde Mann genauso anders als die anderen ist, wie sie selbst. Sie lächelt bei dem Gedanken und winkt noch freudiger in seine Richtung.

   

Natürlich hat er sie schon längst entdeckt und kommt freudestrahlend  - und satt – auf sie zu.
„Schmeckt Ihr Essen?“ fragt er höflich.
„Oh, ich habe schon besser gegessen.“ Antwortet sie lachend.
„Nennt mich Danteslav.“ Erbittet der Vampir
„Nun, aber nur wenn Ihr mich Luci nennt, mein Freund.“ Antwortet sie freudestrahlend. 

   

Dann stoppt die Musik. Die Barsängerin bittet um Aufmerksamkeit und zeigt auf die große Standuhr in der Ecke. Es ist kurz vor Mitternacht. Die Sängerin beginnt irgendetwas zu erzählen, von all den Chancen, die das neue Jahrhundert bringen wird. Sie erzählt von den Ereignissen des letzten Jahres aus ihrer kleinen beschränkten Sicht von der Bühne des Saloons aus. Kein Wort über Freuds Abhandlung zur Traumdeutung, nichts über die neueingeführte Führerscheinpflicht in Frankreich, nichts über die Ausgrabungen in Babylon.

   

Niemand hier weiß, was in Europa vor sich geht und niemanden interessiert es.  Aber auch für Lucie und Danteslav beginnt ein neues Jahrhundert weit weg von Europa mit all der Hektik der neuen Zeit. Alle hier scheinen nach vorne zu wollen. Nur eben sie nicht.
Dann schlägt die Uhr mit lautem  Gong und läutet das nächste Jahrhundert ein. Alle hier sind schon längst von ihren Sitzen aufgestanden und prosten sich nun zu. Gläser klirren und alle rufen sich ein „Happy New Year“ zu. Papierschlangen und Konfetti werden durch die Luft geworfen.  Graf Orlok haucht einen Handkuss auf die nach Lilien duftende rechte Hand Lucies. „Auf die Zukunft.“ Die Dame ist entzückt. So hat sie sich seit vielen Jahrzehnten nicht mehr gefühlt.  „Ja, auf die Zukunft.“

   

Und dann ist es da! Das neue Jahr und mit ihm das neue Jahrhundert.  Für alle um sie herum geht  der morgige Tag genauso weiter wie die Tage zuvor. Nichts würde sich ändern.  Sie würden ihrem Tagwerk nachgehen, Hunger und Not ebenso erfahren wie Freunde und Heiterkeit. Auch wenn sie jetzt feierten.  Das Leben blieb. Nur eine Zahl auf dem Kalender änderte sich.  Nur für zwei Menschen in diesem Raum begann heute Nacht etwas Neues. Ein neues Jahr, ein neues Jahrhundert. Aber vor allem eine neue Freundschaft.
    
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#3
Die dritte Kiste

 
Noch lange saßen sie da und redeten. Aber es war ein langer Tag gewesen und Lucie spürte die Müdigkeit, die kam und sie umgarnte.

   

„Es ist Zeit für mich, ins Hotel zu gehen.“  Beendete sie ihre lebhaften Gespräche der letzten Stunden.
„Ich werde Dich begleiten.“  Als sie aufstehen und sich umblicken, merken sie, wie leer der Raum inzwischen geworden ist. Der Wirt putzt bereits den Tresen. Ja es ist Zeit, diesen Ort zu verlassen.

   

Langsam gehen sie zum Hotel hinüber. Es ist schon dunkel drinnen und eine Frau im Nachthemd kommt mit einer Kerze angewankt, um ihnen die Schlüssel zu geben und die Zimmer zu zeigen. 

   

Lucie ging in den ihr geöffneten Raum, entzündete die Öllampe und machte sich bereit, schlafen zu gehen. Es war ein gemütliches kleines Zimmer. Ein Bett, ein Stuhl, ein Tisch, eine Lampe, ihre Kiste. 

   

Letztere öffnete sie und suchte sich alles heraus, was sie brauchte und schloss sie wieder sorgsam zu. Dann begab sie sich ins Bett und löschte das Licht wieder.
Auch Danteslav ging in sein Zimmer. Es ähnelte dem Lucies.

   

Und auch der Vampir ging zu seiner Kiste, holte einige Bücher daraus hervor und befreite sie von dem Schmutzt, der an ihnen klebte. In der Kiste mochte es Erde aus seiner Heimat sein. Aber wenn es an seinen Büchern klebte, war es Schmutz. Die gesäuberten Bücher legte er auf den Tisch und setzte sich auf den Stuhl. Jedes dieser Bücher war ihm heilig. Sie enthielten Wissen und Magie… und Macht. Vielleicht einen Schlüssel dazu, wieder ein Mensch zu sein, oder eine Formel um unsterblich zu sein und trotzdem in der Sonnen wandeln zu können.  Er hatte die Bücher aus dem Schloss mitgenommen. Seinem Bruder hatten sie nichts bedeutet und trotzdem hatte er es ihm immer wieder untersagt, sie zu lesen. Aber nun hatte er die Bücher und sein Bruder war weit fort. Es war an der Zeit hinter die Geheimnisse der Welt zu kommen. Er verschlang förmlich jede Seite und sein Hunger darauf war größer als der nach Blut.

   

Ein Geheimnis hatte er den Büchern jedoch schon in der alten Heimat entlockt. Er ging noch einmal zu seiner Kiste und wühlte in der weichen Erde bis er zwei bleiche Knochen daraus hervor holte. Diese legte er zu seinen Büchern auf den Tisch, zündete eine Kerze an und murmelte etwas darüber. Kurz darauf erschienen zwei Gestalten in einer Ecke des Raumes. Eine bleiche Frau in einem weißen Schleier und ein ebenso fahler Mann mit einem Turban. Die beiden Knochen waren ein Geschenk des Grafen Dracula an seinen Bruder gewesen. Er selbst hatte die beiden Osmanen dereinst bei der Verteidigung seiner Ländereien getötet. Wie wollte Danteslav gar nicht wissen. Aber nun  gehörten die dienstbaren Geister Fatimas und Achmets ihm. Fatima begann damit seine Kleidung in Ordnung zu bringen und das Bett so aussehen zu lassen, als hätte jemand darin geschlafen. Achmet reichte seinem Herren die Bücher, kümmerte sich um das Licht und wartete auf weitere Befehle. Sie waren die perfekten Diener, da sie nicht bezahlt werden mussten, nichts aßen, er sie jeder Zeit verschwinden lassen konnte und sie niemandem seine Geheimnisse verraten konnten. 

   

Danteslav achtete gar nicht auf die beiden. Für ihn gehörten sie seit vielen Jahren gewissermaßen zum Inventar. Hin und wieder murmelte er etwas vor sich hin, während er weiterlas. Nur manchmal unterbrach er einen Augenblick, um aus dem Fenster zu sehen ob die Nacht sich dem Ende zuneigte. In einem Buch aus dem Jüdischen hatte er etwas über die Erschaffung eines Golems gelesen, dass ihn gerade faszinierte. Und dann sah Danteslav das erste bleierne Grau am östlichen Horizont. Zu spät. Er stecke die Bücher wieder vorsichtig in die Kiste zurück, ebenso die beiden Knochen, löschte die Kerze und ließ die beiden Geister wieder einschlafen. Er war so müde. Noch einen Tag in der Kutsche würde er nicht durchstehen. Schnell griff er zu Papier und Feder und begann eine Nachricht zu schreiben.

   

Mit dieser beeilte er sich, zum Kutscher zu kommen. Jener hatte noch geschlafen, als Orlok an seine Tür hämmerte.

   

„Hier haben Sie noch ein Goldstück. Sorgen Sie dafür, dass die Kiste wieder auf der Kutsche landet. Ich muss noch etwas erledigen und stoße später wieder zu ihnen. Hüten Sie die Kiste wie ihren Augapfel! Und geben Sie dieses Schreiben Mrs. Carpek.“ Fügte er hinzu und überreichte dem verschlafenen Kutscher sowohl das gefaltete und gesiegelte Stück Papier, wie auch eine weitere Goldmünze.

   

Der Kutscher lächelte, versprach alles zufriedenstellend zu erledigen und schloss wieder die Tür. „Seltsame Europäer“ murmelte er, als die Tür geschlossen war. Aber er hatte schon schlimmere Fahrgäste gehabt. Ganz zu schweigen von den Banditen, die immer wieder die Kutsche überfielen. Dann lieber ein paar exzentrische Europäer. Und von dem Gold konnte er sich bald zur Ruhe setzen.
Orlok beeilte sich, zurück in sein Zimmer zu kommen. Er öffnete die Kiste, seufzte tief und stieg hinein. Er legte sich hin, zusammengekauert wie ein kleines Nagetier und verschloss von innen die Kiste.
Kurze Zeit später erwachte Lucie und blickte sich um, bis sie zuordnen konnte, wo sie am letzten Abend eingeschlafen war.


   

Ja, es war ein Hotelzimmer in einem kleinen Ort namens Beavertown irgendwo auf der Postkutschenrute Richtung Westküste.  Achja und nebenan schlief der charmanteste Mann, dem sie seit vielen Jahren begegnet war. Lucie lächelte und begann den neuen Tag und mit ihm das neue Jahr. Und wie jeden Tag in den letzten 50 Jahren begann sie ihren Tag am liebsten mit einem Frühstück. Also kleidete sie sich an und ging nach unten. Die immer noch sehr unausgeschlafene  Besitzerin des Hotels entschuldigte sich und bat sie, drüben im Saloon zu essen, da es hier nur die Schlafmöglichkeiten gäbe.

   
    
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#4
Aber von solchen Kleinigkeiten ließ Frau Carpek nicht den Morgen verderben. Gut gelaunt ging sie hinüber zum Saloon, wo der Wirt bereits dabei war auszufegen. Auch ihm sah man die letzte Nacht an. Interessanter Weise saßen an einem der Tische immer noch drei Kartenspieler. Sie mussten die Nacht durchgemacht haben.

   

„Nimm noch einen Schluck!“ lallte der Alte dem tätowierten Mann neben ihm zu. Lucie beobachtete die Szene einen Augenblick und wendete sich dann doch dem Wirt bezüglich des Frühstücks zu. Der nickte nur und wies auf einen der bereits gewischten Tische. Die Dame setzte sich und schaute wieder interessiert den Pokerspielern zu.  Alle hatten wieder Karten, es wurde gesetzt und das tätowierte Halbblut hatte anscheinend kein Geld mehr. Es wurde lauter an dem Tisch und Lucie konnte es kaum verhindern, das Gespräch mitzuhören.

   

„Gebt mir doch die drei Dollar.“ Fragte er die beiden anderen Spieler. Aber die schüttelten den Kopf. „Wenn Du kein Geld mehr hast, bist Du draußen.“ sagte der eine Mann. Dann fragte der Indianer den Wirt nach einem Darlehn.

   

Ich zahle es Dir sofort wieder. Ich kann gar nicht verlieren.“ Aber auch der Wirt wies ihn ab. Dann sagte der Alte mit zahnlosem Grinsen: „Dann setzt doch Deine Alte Kiste.“ Und kicherte. Aber der geldlose Spieler schüttelte den Kopf, als wären alle Geister der Hölle hinter ihm her. Einen solchen Gesichtsausdruck hatte Lucie schon lange nicht mehr gesehen.
„Mister!“ mischte Lucie sich in das Gespräch ein und ging zu ihm hinüber. Über seine Schulter warf sie einen Blick auf seine Karten. Ja, das Blatt sah in der Tat gut aus, soweit sie das beurteilen konnte.
„Und Sie sind sich sicher, dass Sie gewinnen werden?“ flüsterte die Dame ihm zu.

   

„Ja, unbedingt.“ Lallte er und sie roch den Whisky der letzten Stunden.
„Dann leih ich es Dir und Du gibst mir Deine Kiste nur als Pfand. Sobald Du gewonnen hast, und Du mir das Geld wieder gibst, gehört sie wieder ganz Dir.“ Schlug sie ihm vor. Seine Augen hatten wieder den Glanz des Entsetzens. Aber der Whisky in ihm zeigte seine Wirkung und nach weiteren Argumenten von Frau Carpek, ließ er sich darauf ein. Lucie legte das nötige Geld auf den Tisch, das er dabei bleiben und sehen konnte.

   

Der Mann ihm gegenüber grinste und legte seine Karten auf den Tisch. Und sein Blatt war besser. Der Halbindianer wurde blass und seine Hand krallte sich um den Griff der Truhe neben sich. 
Der Gewinner nahm das Geld und beide anderen Spieler verabschieden sich. Es war schon morgens und beide gingen heimwärts.

   

Der Indianer saß immer noch am Tisch, den Kopf auf die Tischplatte gelegt.
„Nun, Sie können die Kiste jederzeit auslösen, wenn Sie das Geld haben. Die nächsten Wochen werden Sie mich allerdings in San Franzisco finden.“ Lucie lächelt und speist weiter.
„Nein, Madam, Sie verstehen nicht. Diese Kiste ist von meinem Stamm. Mein Vater gab sie mir zur Verwahrung als wir von unserem Land vertrieben wurden. Mein Vater hat den Schatz darin gehütet und vor ihm sein Vater und davor sein Vater. Es ist von den Geistern unserer Ahnen. Bitte, Sie müssen ihn mir wiedergeben, Wenn ich das Geld habe, gebe ich es ihnen, aber die Kiste muss bei mir bleiben. Ich habe geschworen, sie zu hüten.“

   

„Nun mein junger Freund, Sie können das Geld auch bei mir abarbeiten. Kommen Sie doch einfach mit, dann können sie mich und die Kiste beschützen.“ Lächelt Lucie. „Die Kutsche fährt in einer Stunde. Sie können ja in der Kutsche nüchtern werden.“
Just in diesem Augenblick erscheint der Kutscher und überreicht Lucie das Schreiben des Grafen Orlok.

   

Aufmerksam liest sie die liebevoll formulierten Zeilen, mit der Erklärung seines plötzlichen Verschwindens, der Bitte, sich um seine Kiste zu kümmern und dem Versprechen, bald wieder zu ihr zu stoßen. Sie seufzt leise. Noch eine Kiste! Dann sieht sie wieder hoch zum Kutscher, der immer noch neben ihr steht.
„Nun, dann bringen sie meine Kiste und die des Grafen auf die Kutsche. Seinen sie mit beiden vorsichtig und ebenso verfahren Sie mit der Kiste dieses Herren. Achja, und setzen Sie ihn in die Kutsche, ich brauche Gesellschaft während der Fahrt. Ich zahle seine Karte.“
Der Kutscher nickt und wendet sich eher unwillig dem inzwischen bewusstlosen Indianer zu. Ja, die Europäer sind schon arg seltsam. Indianer fährt er nur ungern. Aber er weiß, dass die Dame gut zahlt, also ist ihr Wille wohl Befehl.

   

Er holt noch die Burschen, die alle drei Kisten auf die Kutsche bringen und festmachen.
Kurz darauf steht Lucie Carpek auf der staubigen Straße und steigt in die Kutsche. In ihrer Hand noch der Brief des Grafen und ihr gegenüber der schlafende Indianer.


   

Nun, manchmal kommen Dinge ganz anders als man es vermuten könnte, denkt sie so bei sich und nimmt in der Kutsche Platz. Der Kutscher knallt mit der Peitsche und sie fährt dem neuen Tag entgegen.

   
    
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#5
Tolle Geschichte!!! Zehn

Zudem genial in Szene gesetzt und photographiert! respekt

Da freue ich mich schon auf zuküntige Geschichten von Dir! Cool 

Hannes Kavalier
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#6
Retter in der Not
 
Es dauert Stunden, bis Der dem Wind folgt aufwachte. Sein Vater hatte ihm gesagt, er solle nie das Feuerwasser der Weißen anrühren. In ihm wären böse Geister, die nur Unheil über die Indianer bringen würden.

   

Aber er hatte doch nie auf seinen Vater gehört. Seine Mutter, die bei seiner Geburt starb, hatte er nie kennengelernt. Sie war eine Weiße gewesen. Vielleicht kam daher seine Neugierde nach der Welt außerhalb der Jagdgründe seines Stammes. Lange war er unterwegs gewesen. Den Bruder seiner Mutter hatte er finden wollen, den er das letzte Mal als kleiner Junge gesehen hatte. Bis an die Ostküste war er gelaufen, wo er sich als Seemann verdingte.

   

Mehrere Jahre war er auf einem Schiff gewesen und hatte Länder gesehen, von denen keiner der Sioux je geträumt hatte. Bis ihn eine innere Stimme heim rief und er schweren Herzens dem Meer den Rücken kehrte. Als er im Zelt seines Vaters eintrat, sagte dieser nichts. Drei Tage schwieg er ihn an. Dann gab er ihm die Kiste und sagte ihm, dass er sie mit sich nehmen sollte, da er gelernt hatte in der fremden Welt zu überleben. Bei ihm wäre sie sicherer. Und damit würde er sich als würdig erweisen, einmal in den ewigen Jagdgründen an der Seite seiner Vorväter zu reiten. 

   

Und nun begriff er mit dem Aufwachen langsam, dass er die ihm anvertraute Aufgabe bei einem Kartenspiel verloren hatte.
„Haben Sie gut geschlafen?“ beginnt Lucie das Gespräch, als sie das Aufwachen ihrer Begleitung bemerkt. Nicht ohne, dass ihr auffiel, dass das gestrige Gespräch mit Danteslav genauso begann.
„Die Kiste?“  fragt er entsetzt, als er sich umsieht.

   

„Die ist sicher oben auf der Kutsche.“ Beruhigt Lucie den Mann mit den bunten Tattoos.  „Machen Sie sich keine Sorgen. Ihre Kiste ist nicht die einzige, auf die ich Acht geben muss. Wenn das so weitergeht, werde ich ein Speditionsunternehmen aufmachen.“  Lucie lacht aber Der dem Wind folgt ist immer noch nicht zum Lachen. Sein Kopf schmerzt und noch schlimmer schmerzt ihn das Schuldgefühl und die Tatsache nun wieder in einem Arbeitsvertrag für unbestimmte Zeit gefangen zu sein. Andererseits besaß er gerade keinen einzigen Dollar und wusste nicht, wo er jetzt hingehen sollte. Alles hatte seine Gründe und die Geister seiner Ahnen wussten wohl, warum sie ihn auf diesen Weg schickten. 
Lucie Carpek ist glücklich. Die Sonne scheint und vor ihr liegt eine  interessante Reise, ein spannendes Abenteuer.  Natürlich weiß sie nichts von dem Vampir und den Knochen seiner dienstbaren Geister in der einen Kiste und dem mystischen Geheimnis des Indianers in der anderen. Aber auch das hätte ihr kaum die Laune verderben können. Schon da sie um den Roboter in ihrer Kiste wusste.

   

Alles andere hatte sie verkauft, aber von H.E.I.N.Z hätte sie sich nicht trennen können.  Er war die letzte Erfindung von Josef gewesen und manchmal glaubte sie etwas von ihrem verstorbenen Mann in dem Roboter wiederzufinden. Als wäre der Geist ihres Mannes nach seinem Tot ein Teil des Roboters geworden. Aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein.  Momentan lag er ausgeschaltet oben auf dem Dach der Kutsche. 
„Wohin fahren Sie?“ fragt Der dem Wind folgt. Lucie freut sich, dass der Indianer nun doch auftaut.
„Nun, erst einmal nach San Francisco. Und dann würde ich gern ein Schiff nehmen. Wohin weiß ich noch nicht. Aber ich liebe das Meer seit meiner Fahrt über den Atlantik. Es war das erste Mal, dass ich auf dem Meer war und ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich so alt werden konnte, ohne je das Meer gesehen zu haben.“ Plaudert Lucie Carpek fröhlich drauf los. Der Indianer hört ihr gespannt zu.
„Oh, ich liebe Schiffe.“ Beginnt nun er zu erzählen. „Als ich das erste Mal das Meer sah, hörte ich die Geister im Wind singen. Es war so anders als die Prärie und doch dieselbe Weite, die leichten Wellen, wie das Gras.

   

Und die Fische in großen Herden wie die Büffel.  Vor allem die großen. Ich war ein Jäger. Wie mein Volk schon immer den Büffel jagte, habe ich den Büffel des Meeres gejagt -  den Wal. Drei Jahre war ich auf einem Walfänger. Und heute fehlt mir das Meer.“
Lucie hört ihm gespannt zu und ihre Augen leuchten. Sie hatte die Wale unterwegs gesehen, aber sie wäre nie auf die Idee gekommen, diese majestätischen Kreaturen zu töten. Trotz allem spürt sie die Begeisterung ihres jungen Begleiters und wie sehr sie davon angesteckt wird. Auch liegt es in ihrer Natur, praktisch zu denken. Ein Mann mit nautischen Erfahrungen kommt ihr gerade gelegen.  Sie schloss die Augen und dachte an die Überfahrt von England nach New York. Sie hatte die Zeit damit verbracht Jules Vernes „Die Abenteuer des Kapitän Hatteras“ zu lesen. Und wenn sie von ihrem Buch aufsah, blickte sie auf die Wellen und wünschte sich, das Schiff würde nie anlegen.

   

Aber das Schiff hatte angelegt und seit dem war sie nun schon einen Monat mit der Postkutsche unterwegs. Das Buch in ihrem Handgepäck war „In 80 Tagen um die Welt“, nachdem  „Die Kinder des Kapitän Grand“ und „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ schon wieder in ihrer Kiste gelandet waren. Wenn sie las vergaß sie die Welt um sich herum, sie vergaß die Vergangenheit, sie vergaß Prag und manchmal sogar Josef. Nur um das Ende des jetzigen Buches schien es schlecht zu stehen, da sie gerade viel mehr Interesse an dem Augenblick hatte, in dem sie gerade lebte.
„Die Kiste? Habt Ihr je hineingesehen?“ platzte es förmlich aus ihr heraus.
„Nein, niemals!“ wehrte Der dem Wind folgt ab. „Das würde Unglück bringen.
„Aber irgendwer wird schon einmal hineingesehen haben. Ich meine, Holzkisten halten keine Jahrhunderte. Was immer darin ist, jemand muss es von einer Kiste in eine neuere getan haben.“ Kombiniert Lucie Carpek.

   

„Der Medizinmann des Stammes nehme ich an. Aber dann kamen die Weißen, um unsere Büffel zu  jagen und unser Land zu stehlen. Verzeihen Sie. Nicht alle Weißen sind wie sie.“
„Aber das hatte doch nichts mit der Kiste zu tun!“ Lucie lacht. „Columbus hätte Amerika auch entdeckt, ohne dass ihr 300 Jahre später eine Kiste öffnet. Denn genau damit fing alles an.“
„Woher wisst ihr, dass damals nicht schon mal die Kiste geöffnet wurde? Ich bin mir sicher, es bringt Unglück!“ beharrt der Halbindianer.
In dem Augenblick wird ihr Gespräch unterbrochen. Von draußen hören sie Pferde, Gewehrschüsse und Rufe. Die beiden Passagiere schauen aus dem Fenster und erkennen zwei maskierte Männer, die auf ihren Pferden die Kutsche bereits eingeholt haben.

   

Lucie schluckt. Ja von solchen Banditen hatte sie gelesen. Es ist eben der Winde Westen! Aber gleichzeitig scheltet sie sich selbst eine Närrin. Räuber und Diebe gibt es auch in Europa zu genüge.  Die Kutsche hält und jemand reißt von draußen die Tür auf. Ein mit einem Tuch verhülltes Gesicht schaut herein.
„Aussteigen und Hände hoch.“ Brüllt er hinein, das Ende seines Gewehrlaufes auf Der dem Wind folgt gerichtet.

   

Den anderen Banditen hört man draußen dem Fahrer befehlen, vom Kutschbock zusteigen. Lucie Carpek steht von ihrem Sitz auf und steigt aus. Ihr Blick schweift über den Horizont, an dem gerade die Sonne untergeht. Die nächste Ortschaft muss ganz in der Nähe sein. Hinter ihr steht auch Der dem Wind folgt auf und nutzt die Deckung hinter seiner Begleiterin um ein Messer aus seinem Stiefel zu ziehen. Lächelnd steigt Lucie aus der Kutsche.

   

„Das Geld und den Schmuck! Her damit!“ Der maskierte Mann bleibt in einem gewissen Abstand und richtet das Gewehr immer  noch auf den Indianer, den er wohl für gefährlicher hält, als die alte Frau.
„Ich habe keinen Schmuck.“ Antwortet Lucie.
Der dem Wind folgt versteckt immer noch sein Messer hinter dem Rücken. „Geld habe ich alles verspielt.“  Seine Augen funkeln den Mann mit dem Gewehr böse an. Für ihn nur ein weiterer Weißer, der versucht, ihm noch das letzte zu nehmen, was er hat.
Lucie sieht hinüber zum Kutscher, der mit erhobenen Armen an der Kutsche steht. Von ihm ist kaum Hilfe zu erwarten. Für ihn geht es darum, den Tag zu überleben. Was interessieren ihn die Besitztümer seiner Fahrgäste? Nun, mag es ihm Recht geschehen, dass man ihm die Goldstücke abnimmt, die er als Trinkgeld bekam.
Jetzt richtet der andere Bandit den Gewehrlauf auf alle drei und der andere holt Lucies Tasche aus dem Wagen.

   
    
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#7
daumen daumen daumen Schon wieder eine deiner Geschichten, die mich mit der ersten Zeile ins Geschehen hineingesaugt hat.
Du schreibst und illustrierts mega-meisterlich.   Danke

So einen H.E.I.N.Z. könnte ich auch gebrauchen. Bisher hat bei mir nur bis zu gleichnamigen Ketchup gereicht.  Rotwerd
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#8
„Blümchene, nur Bücher!“ brüllt er aus der Kutsche.
„Wahrscheinlich ist alles in den Kisten auf dem Dach.“ Ruft der andere.
Der Bandit in der Kutsche ist gerade auf dem Weg nach draußen, als Lucie dass leise schnappen eines Schlosses hört. Es kommt von einer der Kisten auf dem Dach.

   

Dann bemerkt sie, wie Der dem Wind folgt versucht, sich langsam hinter ihr vorbei zu schieben. Ihre Hand hält ihn fest. Und sie schüttelt fast unmerklich den Kopf. Der Mann kommt wieder aus der Kutsche und klettert auf den Kutschbock hoch zu den Kisten.

   

„Nein!“ schreit der Indianer dem Mann auf dem Dach zu. Dieser ist einen Augenblick abgelenkt und schaut hinunter. Da springt der Deckel von Orloks Kiste auf und Danteslav selbst springt daraus hervor. Er greift sich den Banditen, der unter dem Danteslav zusammensinkt.

   

Schockiert schießt der unten stehende auf den Vampir. Dieser nimmt allerdings keine Notiz davon.

   

Der dem Wind folgt nutzt die Verwirrung des Gegners und greift ihn mit dem Messer an. Lucie kommt dazu und nimmt ihm das Gewehr ab und richtet es auf den maskierten Mann.

   

„Fessle ihn auf das Pferd! Im nächsten Ort wird es einen Sherif geben.“ Sagt Lucie zu Der dem Wind folgt. Dann schaut sie nach oben zu Danteslav, der bereits dabei ist, den zweiten Räuber zu fesseln.  Er wirft ihn nach unten wie einen nassen Sack und springt hinterher. Der erste Mann ist bereits auf dem Pferd und Danteslav schnürt den zweiten Mann auf das andere Tier.
„Na Sie waren ja eine Hilfe!“ wendet sich Lucie Carpek an den Kutscher. „Ist ihnen das zum ersten Mal passiert?“

   

Der schüttelt den Kopf. „Nein, aber es ist besser, ihnen einfach alles zu geben, dann lassen sie einen leben!“ Seine Stimme zittert.
„Feigling!“ ruft ihm der Indianer zu, der gerade die Pferde festgemacht hat und wieder zur Kutsche hinter kommt. 
Aber für all das hat Lucie gerade gar keine Augen. „Danteslav, wo kommst Du denn her?“  fragt sie ihn verwundert und kommt auf ihn zu.

   

„Ich war die ganze Zeit in Deiner Nähe.“ Lächelt er sie an. Und nimmt sie bei den Händen.
„Wo immer Du warst, es ist schön, dass Du hier bist.“
„Wir sollten weiterfahren.“ Unterbricht Der dem Wind folgt die Wiedersehensfreude.
„Ja, Du hast Recht. Wir müssen noch zum Sherif. Kutscher, bringen sie uns zur nächsten Station.“ Bestimmt Lucie und drückt dem Kutscher die Geldstücke wieder in die Hand, welche sie dem Banditen wieder abgenommen hat. Dann steigen die drei Passagiere erneut in die Kutsche.


   

Der Kutscher schüttelt mit dem Kopf und denkt mit schaudern an den Vampir aus der Kiste auf seinem Dach. An seine leuchtend roten Augen während des Kampfes und die Spuren von Rot auf seinen Lippen danach. Als alle in der Kutsche sitzen gibt er den Pferden die Peitsche.

   

Alles was er will, ist schnell im nächsten Ort ankommen.

   
    
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#9
(01.05.2020, 09:49)Bestcatever schrieb: Tolle Geschichte!!! Zehn

Zudem genial in Szene gesetzt und photographiert! respekt

Da freue ich mich schon auf zuküntige Geschichten von Dir! Cool 

Hannes Kavalier

Also erstmal Danke für das Lob. Mehr Geschichten von mir gibt es hier bereits schon auf der Insel. Einfach mal hier unter Kurz- und Episodengeschichten schauen. Wobei ich übrigens sagen muss, dass es da auch echt schöne Geschichten von den anderen Insulanern gibt. Lesen lohnt sich hier auf jeden Fall.

(01.05.2020, 09:53)PlayRay schrieb: daumen daumen daumen Schon wieder eine deiner Geschichten, die mich mit der ersten Zeile ins Geschehen hineingesaugt hat.
Du schreibst und illustrierts mega-meisterlich.   Danke

So einen H.E.I.N.Z. könnte ich auch gebrauchen. Bisher hat bei mir nur bis zu gleichnamigen Ketchup gereicht.  Rotwerd

Ach mein MCB  Rotwerd ... Danke für die verbalen Blumen. Dabei war der erste teil der Reisebekanntschaften tatsächlich mal eine Drei-Wort-Geschichte (wie unsere Drei Bilder Geschichten hier, nur eben mit drei Worten als Vorgabe, die auftauchen mussten) daher auch die Sache mit dem "Läusebefall", der eines der drei gelosten Worte gewesen war.
Und ja, so einen H.E.I.N.Z. könnte ich auch brauchen!
    
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#10
Banditen, Dollar und Geschäfte
 
Drinnen stellt Lucie die Herren erst einmal einander vor und erklärt Danteslav die Geschichte mit dem Spiel und der Kiste. Der Lächelt nur.

   

„Nun, es gibt auch Leute, die sagen würden, dass der Inhalt meiner Kiste Unglück bringt. Ich vor allem.“ Lacht Danteslav. Der Indianer sieht ihn misstrauisch an. Auch wenn seine Mutter eine Weiße war, spürt er doch, dass etwas Seltsames und Böses an dem Mann ist.
Kurze Zeit später erreichten sie Sandcity. Der Ort wirkt etwas größer, aber diese Städtchen entlang der Postkutschenroute sehen sich alle irgendwie ähnlich. Es ist schon dunkel und nur der Lichtschein aus den Fenstern erhellt die Straße. Der Kutscher bringt die Pferde zum Stehen. 

   

„Aussteigen!“ ruft der Kutscher hinein. Tunlichst darauf bedacht, den Kopf oder gar den Hals nicht in das Innere der Kutsche zu stecken. Ängstlich blickt er zu Danteslav hinüber.

   

„Na endlich!“ entfährt es Lucie und sie steigt als erstes aus.  Nach ihr Danteslav und zum Schluss Der dem Wind folgt.

   

„Wir müssen die Räuber zum Sherif bringen.“ Erklärt Lucie. „Danteslav, Du nimmt das eine Pferd und Der dem Wind folgt das andere.“ Der Indianer löst die Zügel des einen Pferdes von der Kutsche. Danteslav allerdings zögert.
„Ich denke, es wäre besser, wenn der Kutscher dies täte.“ Gibt er zu bedenken. Und Lucie nickt dem Kutscher zu, der sich sofort zu dem anderen Pferd begibt.

   

Lucie Carpek geht voraus zum Sherif. An ihrer Seite Danteslav und gefolgt vom Kutscher und Der dem Wind folgt mit den Pferden der Banditen.  Resolut, wie sie es immer ist, klopft sie an der Tür des Sherifs.

   

„Herein.“ Ertönt es von drinnen und Dame öffnet die Tür. Orlok wartet zunächst einmal draußen.
„Guten Abend. Ich habe da draußen etwas für Sie!“ beginnt Lucie. Der Sherif ist ein Mann mit hartem Gesicht, der da sitzt und seine Winchester  auf Hochglanz poliert. Er schaut auf zu der alten Dame in seinem Büro.

   

„Für mich? Eine Apfelpastete?“ fragt er sarkastisch.
„Oh nein, zwei Postkutschenräuber.“ Erwidert Lucie lächelnd. Er blickt sie argwöhnisch an. Aber er kennt die Dame nicht, also wird sie mit der Postkutsche gekommen sein. Er erhebt sich und geht hinaus. An ihr vorbei durch die Tür zu den dort wartenden Männern.

   

„Ich nehme an, die suchen Sie bereits.“ Sagte Der dem Wind folgt.

   

Der Sherif ging zu dem Mann auf dem Pferd und sah sich sein Gesicht an.
„Peter Smith! Nicht zu fassen. Die Smith-Brüder.“

   

Er schaut zu dem Indianer, zum Kutscher und dann wieder zu Lucie Carpek. Danteslav verbirgt sich im Schatten außerhalb seines Sichtfeldes.
„Bringt die beiden  rein!“ fordert er die Anwesenden auf. Der dem Wind folgt holt sofort den Gefangenen herunter und schleift ihn das Büro des Sherifs. Der Kutscher zögert noch einen Moment und blickt in die Dunkelheit zu Danteslav hinüber.

   

„Na mach schon. Jetzt tut er ja nichts mehr.“ Ruft Lucie zu ihm herüber. Dann nimmt auch der Kutscher den Mann von dem Pferd und bringt ihm zum Büro hinüber. Lucie folgt ihnen. Nicht ohne auch einen Blick in die Schatten zu werfen. Aber sie lächelt.
Während dessen schließt der Sherif die Gefängniszelle auf.


   
    
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