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19.04.2023, 09:10
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 19.04.2023, 09:20 von Fredeswind.)
„Oh, du Lügenbrut!“, rief der Schneider, „einer so gottlos und pflichtvergessen wie der andere! Ihr sollt mich nicht länger zum Narren haben!“ Und vor Zorn ganz außer sich sprang er hinein und gerbte dem armen Jungen mit der Elle den Rücken so gewaltig, dass er zum Haus hinaussprang.
Der alte Schneider war nun mit seiner Ziege allein. Am andern Morgen ging er hinab in den Stall, liebkoste die Ziege und sprach: „Komm, mein liebes Tierlein, ich will dich selbst zur Weide führen.“ Er nahm sie am Strick und brachte sie zu grünen Hecken und unter Schafrippe und was sonst die Ziegen gern fressen. „Da kannst du dich einmal nach Herzenslust sättigen.“, sprach er zu ihr und ließ sie weiden bis zum Abend.
Da fragte er: ,“Ziege bist du satt?“ Sie antwortete:
„Ich bin so satt,
Ich mag kein Blatt: mäh mäh!“
„So komm' nach Haus.“, sagte der Schneider, führte sie in den Stall und band sie fest.
Als er wegging, kehrte er sich noch einmal um und sagte: „Nun bist du doch einmal satt!“ Aber die Ziege machte es ihm nicht besser und rief:
„Wovon sollt' ich satt sein?
Ich sprang nur über Gräbelein
Und fand kein einzig Blättelein: mäh! mäh!“
Als der Schneider das hörte, stutzte er und sah wohl, dass er seine drei Söhne ohne Ursache verstoßen hatte. „Wart!“, rief er, „du undankbares Geschöpf! Dich fortzujagen ist noch zu wenig, ich will dich zeichnen, dass du dich unter ehrbaren Schneidern nicht mehr darfst sehen lassen.“
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19.04.2023, 09:20
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 19.04.2023, 09:21 von Fredeswind.)
In einer Hast sprang er hinauf, holte sein Bartmesser, seifte der Ziege den Kopf ein und schor sie glatt wie seine flache Hand. Und weil die Elle zu ehrenvoll gewesen wäre, holte er die Peitsche und versetzte ihr solche Hiebe, dass sie in gewaltigen Sprüngen davonlief.
Der Schneider, als er so ganz einsam in seinem Hause saß, verfiel in große Traurigkeit und hätte seine Söhne gern wieder gehabt, aber niemand wusste, wo sie hingeraten waren.
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Ziegen sind schon verfressene Tiere.
Der Friedhof gefällt mir. Klasse finde ich die alte Schrift.
Die kann heute ja kaum noch jemand schreiben oder lesen.
Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
aber du kannst neu anfangen und das Ende ändern.
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Ach herrlich,
ja, der Schneider und seine Söhne,
wem klaubt man mehr,
der Mäck-Mäck.
Ein schönes Märchen und auch wieder super dargestellt.
Ganz lieben Dank, freue mich schon darauf, wie es weiter geht.
LG
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(16.04.2023, 13:15)Fredeswind schrieb: (...) aber nach eine 6-wöchingen Reha geht es mir endlich besser, jedoch muss ich meine Kräfte nach wie vor gut einteilen.
Das freut mich für Dich!
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22.04.2023, 08:38
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 22.04.2023, 08:39 von Fredeswind.)
Der älteste war zu einem Schreiner in die Lehre gegangen, da lernte er fleißig und unverdrossen, und als seine Zeit herum war, dass er wandern sollte, schenkte ihm der Meister ein Tischchen, das gar kein besonderes Ansehen hatte und von gewöhnlichem Holz war; aber es hatte eine gute Eigenschaft.
Wenn man es hinstellte und sprach: „Tischchen, deck' dich!“, so war das gute Tischchen auf einmal mit einem sauberen Tüchlein bedeckt und stand da ein Teller und Messer und Gabel daneben und Schüsseln mit Gesottenem und Gebratenem, soviel Platz hatten, und ein großes Glas mit rotem Wein leuchtete, dass einem das Herz lachte.
Der junge Gesell dachte: „Damit hast du genug für dein Lebtag“, zog guter Dinge in die Welt umher und bekümmerte sich gar nicht darum, ob ein Wirtshaus gut oder schlecht, und ob etwas darin zu finden war oder nicht. Wenn es ihm gefiel, so kehrte er gar nicht ein, sondern im Felde, im Walde, auf einer Wiese, wo er Lust hatte, nahm er sein Tischchen vom Rücken, stellte es vor sich und sprach: „Deck' dich!“, so war alles da, was sein Herz begehrte.
Endlich kam es ihm in den Sinn, er wollte zu seinem Vater zurückkehren, sein Zorn würde sich gelegt haben, und mit dem Tischchendeckdich würde er ihn gern wieder aufnehmen. Es trug sich zu, dass er auf dem Heimweg abends in ein Wirtshaus kam, das mit Gästen angefüllt war; sie hießen ihn willkommen und luden ihn ein, sich zu ihnen zu setzen und mit ihnen zu essen, sonst würde er schwerlich noch etwas bekommen.
„Nein“, antwortete der Schreiner, „die paar Bissen will ich euch nicht vor dem Munde wegnehmen, lieber sollt ihr meine Gäste sein.“ Sie lachten und meinten, er triebe seinen Spaß mit ihnen. Er aber stellte sein hölzernes Tischchen mitten in die Stube und sprach: „Tischchen, deck' dich!“ Augenblicklich war es mit Speisen besetzt, so gut, wie sie der Wirt nicht hätte herbeischaffen können und wovon der Geruch den Gästen lieblich in die Nase stieg.
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22.04.2023, 08:46
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 22.04.2023, 08:47 von Fredeswind.)
„Zugegriffen, liebe Freunde!“, sprach der Schreiner, und die Gäste, als sie sahen, wie es gemeint war, ließen sich nicht zweimal bitten, rückten heran und griffen tapfer zu. Und was sie am meisten verwunderte: wenn eine Schüssel leer geworden war, stellte sich gleich von selbst eine volle an ihren Platz. Der Wirt stand in einer Ecke und sah dem Dinge zu. Er wusste gar nicht, was er sagen sollte, dachte aber: „Einen solchen Koch könntest du in deiner Wirtschaft wohl brauchen.“
Der Schreiner und seine Gesellschaft waren lustig bis in die späte Nacht; endlich legten sie sich schlafen, und der junge Geselle ging auch zu Bett und stellte sein Wünschtischchen an die Wand. Dem Wirte aber ließen seine Gedanken keine Ruhe. Es fiel ihm ein, dass in seiner Rumpelkammer ein altes Tischchen stünde, das gerade so aussähe, das holte er ganz sachte herbei und vertauschte es mit dem Wünschtischchen.
Am andern Morgen zahlte der Meister sein Schlafgeld, packte sein Tischchen auf, dachte gar nicht daran, dass er ein falsches hätte, und ging seiner Wege. Zu Mittag kam er bei seinem Vater an, der ihn mit großer Freude empfing.
„Nun, mein lieber Sohn, was hast du gelernt?“, sagte er zu ihm. „Vater, ich bin ein Schreiner geworden.“ - „Ein gutes Handwerk! erwiderte der Alte; „aber was hast du von deiner Wanderschaft mitgebracht?“ - „Vater, das Beste, was ich mitgebracht habe, ist das Tischehen.“ Der Vater betrachtete es von allen Seiten und sagte: „Daran hast du kein Meisterstück gemacht, das ist ein altes und schlechtes Tischchen.“
„Aber es ist ein Tischchendeckdich“, antwortete der Sohn; „wenn ich es hinstelle und sage ihm, es solle sich decken, so stehen gleich die schönsten Gerichte darauf und ein Wein dabei, der das Herz erfreut. Ladet nur alle Verwandte und Freunde ein, die sollen sich einmal laben und erquicken, denn das Tischchen macht sie alle satt.“
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22.04.2023, 08:51
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 22.04.2023, 08:52 von Fredeswind.)
Als die Gesellschaft beisammen war, stellte er sein Tischchen mitten in die Stube und sprach: „Tischchen' deck' dich!“ Aber das Tischchen regte sich nicht und blieb so leer wie ein anderer Tisch, der die Sprache nicht versteht. Da merkte der arme Geselle, dass ihm das Tischchen vertauscht war, und schämte sich, dass er wie ein Lügner dastand.
Die Verwandten aber lachten ihn aus und mussten ungetrunken und ungegessen wieder heim wandern. Der Vater holte seine Lappen wieder herbei und schneiderte fort, der Sohn aber ging bei einem Meister in die Arbeit.
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23.04.2023, 16:39
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 23.04.2023, 16:39 von Fredeswind.)
Der zweite Sohn war zu einem Müller gekommen und bei ihm in die Lehre gegangen. Als er seine Jahre herum hatte, sprach der Meister: „Weil du dich so wohl gehalten hast, schenke ich dir einen Esel von einer besonderen Art, er zieht nicht am Wagen und trägt auch keine Säcke.“ „Wozu ist er denn nütze?“, fragte der junge Geselle. „Er speit Gold“, antwortete der Müller, „wenn du sprichst: ,Bricklebrit!' so speit dir das gute Tier Goldstücke aus, hinten und vorn.“ - „Das ist eine schöne Sache.“, sprach der Geselle, dankte dem Meister und zog in die Welt.
Wenn er Gold nötig hatte, brauchte er nur zu seinem Esel ,Bricklebrit!' zu sagen, so regnete es Goldstücke und er hatte weiter keine Mühe, als sie von der Erde aufzuheben. Wo er hinkam, war ihm das Beste gut genug, und je teurer je lieber, denn er hatte immer einen vollen Beutel.
Als er sich eine Zeitlang in der Welt umgesehen hatte, dachte er: „Du musst deinen Vater aufsuchen; wenn du mit dem Goldesel kommst, wird er seinen Zorn vergessen und dich gut aufnehmen.“ Es trug sich zu, dass er in dasselbe Wirtshaus geriet, wo seinem Bruder das Tischchen vertauscht worden war. Er führte seinen Esel an der Hand, und der Wirt wollte ihm das Tier abnehmen und anbinden.
Der junge Geselle aber sprach: „Gebt Euch keine Mühe; meinen Grauschimmel führe ich selbst in den Stall und binde ihn auch selbst an, denn ich muss wissen, wo er steht.“ Dem Wirt kam das verwunderlich vor, und er meinte, einer, der seinen Esel selbst besorgen müsste, hätte nicht viel zu verzehren. Als aber der Fremde in die Tasche griff, zwei Goldstücke herausholte und sagte, er sollte nur etwas Gutes für ihn einkaufen, so machte er große Augen, lief und suchte das Beste, das er auftreiben konnte.
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