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Mein Sammelgebiet : Alles aus der Zeit der starren Hände (1974-81)
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Hallo Irmi,
ich finde Deine Märchen ja schon toll -
aber die Geschichte von Theodor Fontane reißt mich absolut von den Socken! Gaaaaaaaaaaaaaaanz großes Kompliment!
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08.10.2019, 11:11
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 27.10.2019, 10:11 von JTD.)
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14. STURM IM GLASE WASSER
Das Sterben wurde bald Tagesordnung auf Oléron. Es konnte kaum anders sein. Etwa Mitte November trafen siebenhundert Bayern auf der Zitadelle ein, die man nach Einnahme Orleans‘ durch General Aurelle de Paladines in den dortigen Lazaretten zusammengesucht und als Gefangene nach Oléron geschickt hatte… Ein ernster Vorwurf für die französischen Machthaber war… , dass man nicht nur Rekonvaleszenten und leicht Verwundete, sondern auch Personen fortschleppte, die dicht vor dem Typhus standen oder ihn kaum erst überwunden hatten… Die auf Oléron eintreffenden siebenhundert hatten in den ersten Nächten kaum Stroh. Das war natürlich kein Zustand… Rückfälle kamen vor, und der Geistliche, die Chorknaben und der Totengräber mussten Tag um Tag in dem Aufzuge, den ich geschildert habe, auf den Bergräbnisplatz hinaus.
Eine Verstimmung über diese Zustände war unausweichlich; besonders die Preußen… waren empört und gaben nach ihrer heimatlichen Art dieser Empörung unverhohlenen Ausdruck. Beim Kantinengang, auch wohl beim Einkäufe machen, fielen Worte, dass dies eine erbärmlicher Wirtschaft sei... Worte, die alsbald von Mund zu Mund gingen.
Im Weiterrollen nahmen sie folgende groteske Gestalt an: die Gefangenen der Zitadelle sind im Komplott. Sie haben vor die Wachmannschaften zu entwaffnen…, Chateau zu überfallen und von der ganzen Insel Besitz zu ergreifen. Preußische Kriegsschiffe kreuzten bereits in der Nähe. Man wird… Rochefort einschließen und von dort aus das Land insurgieren (aufhetzen). Ein Napoleonischer Aufstand im Rücken der republikanischen Armee – das ist der Plan. Wir erfuhren dies wieder und lachten herzlich…
Was aber, namentlich dem engeren Kreise, der sich bei mir zu versammeln pflegte, das allerpeinlichste war, war das, dass unser guter Kommandant mit in die Angelegenheit hineingezogen und um seiner Nachsicht und Güte willen (die übrigens nie in Schwäche ausartete) bezichtigt wurde, das eigentliche Haupt des Komplotts zu sein.
Wir beschlossen also, nicht nur äußerste Vorsicht zu üben, sondern namentlich auch die Anstandsbesuche, die wir von Zeit zu Zeit in der Kommandantur gemacht hatten, einzustellen. Ich wurde dazu noch durch einen besonderen Vorfall bestimmt, der, so klein und geringfügig war, doch am besten zeigte, wie kritisch bereits die Lage geworden war.
Ich hatte bei einem Nachmittagsbesuche eben neben dem Kommandanten Platz genommen und ließ mir das Straßburger Bier schmecken, das in einem Steinkruge wie immer auf einen zwischen uns stehendes Tischchen gestellt worden war, als der eintretende Diener den Kapitän N. N. meldete. Den Namen überhörte ich. Es war, wie ich mich bald überzeugen sollte, ein Seekapitän, der zugleich das Kommando über die Nationalgarden der Insel übernommen hatte.
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Mein guter Kommandant nickte, zum Zeichen, dass er bereit sei, den Angemeldeten zu empfangen, sprang aber in demselben Augenblick, in dem der Diener das Zimmer verlassen hatte, vom Fauteuil auf, um mit geschwindester Geschwindigkeit einen großen Wandschrank zu öffnen und die Steinflasche sowie die beiden noch halbvollen Biergläser dahinter verschwinden zu lassen.
Der Verschwindeakt war kaum ausgeführt, als der Seekapitän eintrat und das Dienstgespräch seinen Anfang nahm. Ich empfahl mich; mein halbes Glas Bier hatte ich eingebüßt. Dies war zu verschmerzen; dieser ganze Vorgang bekümmerte mich aber um des Kommandanten willen…, der notwendig eine Verlegenheit über diese Komödie empfinden musste, zu der er sich verurteilt sah.
Er empfand es auch wirklich, so vermute ich. Vor allem aber sah er ein, dass etwas geschehen müsste, um ihn in seiner unhaltbar gewordenen Stellung zu festigen… Er bat um einen Auxilliarkommandanten, dem die Gefangenenangelegenheiten ausschließlich unterstellt werden möchten. Ein vorzüglicher Schachzug. Seinem Wunsche wurde nachgegeben, und auf einen Schlag war er den Verdacht und – die Arbeit los...
Wir erhielten infolge dieser Vorgänge und Gesuche denn auch wirklich einen Vizekommandant, eine schönen Blaubart, den Baron de la Flotte… Er war ein feiner Herr, von vornehmer Haltung, sehr artig und – sehr bestimmt. Unser Sturm im Glase Wasser beruhigte sich, und – die Gerüchte in der Stadt nahmen ein Ende...
Viele Übelstände wurden abgestellt...; man tat, was man konnte, man anerkannte gewisse Verpflichtungen und beeiferte sich, ehrlich und nachdrücklich, diesen Verpflichtungen nachzukommen, das half.
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15. „SENTINELLE, PRENEZ GARDE À VOUS!“
Um Mitternacht (Gott sei Dank!) schlief ich fest, wenn nicht das Zusammenbrechen der verkohlten Scheite mich auf einen Augenblick weckte. Nur einmal wachte ich die Mitternacht heran. Es war bei Vollmond. Als die zwölf Schläge über den Kasernenhof hin verklungen waren, hüllte ich mich in Schal und Kapuze und tappte an der Wand des Korridors entlang bis an die schmale Hintertür, die auf den Wallgang hinausführte.
Entzückendes Bild! Nach rechts hin stand der Mond und goss sein volles Licht in breiten Streifen über die Wasserfläche. Kein Lüftchen ging; das Meer war ein Spiegel; alles still. Ich hörte nichts als in einiger Entfernung den Schritt der Wachen und am Fuße der Bastion ein leises Brauen und Murmeln, denn die Flut kam. Ein weißer Schimmer lag wie Schnee auf den grauen Fliesen des Rempart, und ich begann jetzt, immer dicht an der Brüstung hin einen Mitternachtsspaziergang anzutreten...
Ich zog meine Kapuze fester an und setzte mich innerhalb eines Brüstungsvorsprungs auf eine Steinbank, die diesen Vorsprung beinah ausfüllte. Ich sah in die Mondstreifen hinein, der in schräger Linie über das Meer und dann glitzernd, über die... Fliesen lief...
Dann schlug es halb, und noch eh der Schlag verklungen war, mit einer Plötzlichkeit, wie ein Schuss fällt, begann jetzt vom Portal her das Anrufen der ausgestellten Wachen: „Sentinelle, prenez garde à vous!“ (Wachen habt Acht!). Der nächste Posten nahm den Anruf auf, und im fünffachen Echo lief es jetzt um die Zitadelle herum, von Posten zu Posten, bis der mir zunächst stehende, mit dem die Kette schloss, dieselben Worte über den Rempart rief. Es war, als gelten sie mir selber.
Ich stand jetzt auf, um meinen Rückzug anzutreten. Mich fröstelte. Als ich durch den Mondstreifen hindurch schritt, der jetzt zwischen mir und der schmalen Hoftür lag, war mir‘s als streifte mich etwas. Ich zuckte zusammen und eilte vorwärts. Der Wachen Ruf war längst verklungen, aber immer noch klang es mir nach: „Sentinelle, prenez garde à vous!“
ENDE TEIL 3
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Wahnsinn! Ich bin total begeistert. So eine unglaubliche Arbeit!
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08.10.2019, 23:51
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 27.10.2019, 23:12 von JTD.)
(08.10.2019, 22:24)Ischade schrieb: Wahnsinn! Ich bin total begeistert. So eine unglaubliche Arbeit!
Ehrlich gestanden, ich war anfangs skeptisch, wie die Geschichte hier aufgenommen wird.
Ist halt Literatur und normal nicht jedermanns Sache. Aber anscheinend war meine Skepsis unbegründet.
Unglaubliche Arbeit! Das stimmt! Mammutprojekt!
- Über 380 Bilder in 2 1/2 Monaten
- 160 Seiten Text gekürzt und bearbeitet, davon habe ich etwa nur 1/3 im Internet gefunden und heruntergeladen, den Rest selbst in den PC getippt
- Nachtschichten
- Suchen
- Unordnung
- Herausforderung,
- Costumizing
- Verzweiflung
- Freude
- Stolz
- … was nicht noch alles
- und ab sofort das große Aufräumen
Warum macht man sich dies Arbeit?
Immer wieder der Wunsch/Drang weiter zu machen, warum? Ich weiß es nicht! Fontane - Fieber?
Naja, ist ja auch egal, die letzten Bilder sind fotografiert, jetzt muss ich die Geschichte nur noch fertig einstellen.
LG von der Märchenfee Fredeswind
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Um so mehr danke ich Dir für dieses großartige Projekt. Ich denke, wenn es fertig ist, werde ich mich auch nochmal hinsetzen und es in einem Stück von Anfang bis Ende durchlesen und genießen.
Für mich ist Fontane natürlich auch mehr als nur irgendeine Litheratur. Er war ja Brandenburger und hat viel über die Mark geschrieben. Von daher ist er ein Stück Heimat wenn man so will...
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09.10.2019, 08:00
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 27.10.2019, 10:12 von JTD.)
(09.10.2019, 06:00)Ischade schrieb: Um so mehr danke ich Dir für dieses großartige Projekt. Ich denke, wenn es fertig ist, werde ich mich auch nochmal hinsetzen und es in einem Stück von Anfang bis Ende durchlesen und genießen.
Für mich ist Fontane natürlich auch mehr als nur irgendeine Litheratur. Er war ja Brandenburger und hat viel über die Mark geschrieben. Von daher ist er ein Stück Heimat wenn man so will...
Tu das.
Ich werde daraus ein Fotobuch machen, d. h. ich werde die Geschichte auch noch einmal komplett lesen.
LG von der Märchenfee Fredeswind
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Kriegsgefangen, Erlebtes 1870
(frei nach Theodor Fontane, gekürzte Fassung)
Frei
1.UNVERHOFFT KOMMT OFT
„Es ist gar nicht zu sagen, wie schnell ein Ereignis da ist, wenn man es nicht erwartete hat! Hat man es erwartet, so dauert es viel länger, und manchmal kommt es gar nicht.“ Mit diesen Worten etwa beginnt eine liebenswürdige Roquettesche Novelle. Die Wahrheit, die sich darin ausspricht, sollte sich auch an mir erfüllen. „Unverhofft kommt oft.“
Es war Sonnabend, den 26. November. Die erste Hälfte des Tages mit Spaziergang und Arbeit lag hinter mir, das Mittagsbeefsteak war verzehrt, in seinem zähen Widerstand gebrochen, und die Kaffeestunde umblühte mich bereits. Duft und Wärme erfüllten das Zimmer, Rasumofsky war bei mir… Wir standen am, Kamin, er rechts, ich links, während zwischen uns das Feuer glühte…
Rasumofsky hatte einen sentimentalen Tag und sagte: „Jott, Herr Leutnant, wann werden wir wieder den ersten preuß’schen Kaffee trinken? Mit Weihnachten wird es nichts.“ „Nein, Rasumofsky, auf Ostern müssen wir uns gefasst machen. Vielleicht sehn wir hier noch den Flieder blühn… Und am Ende“, so fuhr ich fort, „Ostern oder nicht, ich kann es so schlimm hier nicht finden.
Rasumofsky, ich sage Ihnen alle Dinge haben zwei Seiten.“ Er nickte… „Sehen Sie, es ist jetzt halb zwei, vor einer Viertelstunde erst hab ich mein Beefsteak gegessen, und schon halt ich hier ein Glas guten Javakaffee in Händen. Glauben Sie, Rasumofsky, dass man das haben kann, wenn man frei ist? Gott bewahre. So was hat man nur in der Gefangenschaft.“
Er grinste. „Sie sind ein vernünftiger Mensch, Rasumofsky, und kennen die Welt. Es wird wohl in Posen auch so sein wie anderswo. Der Hausherr, sehen Sie, das ist eine ganz sonderbare Stellung. Es wird im zwei- bis dreimal des Tages vorerzählt, er sei ein Tyrann... Aber ich sage ihnen, Rasumofsky, die Berliner Tyrannen, die um halb zwei eine Tasse Kaffee kriegen können, die sind zu zählen… Sehen Sie, man könnte beinahe sagen: nur ein Gefangener sei frei.“
Hier hielt er sich nicht länger und brach in die Worte aus: „Ach, Herr Leutnant, das ist ja, als ob ich meinen Rittmeister reden hörte. Grade so war es in Posen. Es ist zu merkwürdig.“ Seine Betrachtungen über dies wunderbare Zusammentreffen wurden durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen.
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