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Fredeswinds Märchenschatztruhe
Ich stutzte, ließ mich aber zunächst in meiner Untersuchung nicht stören und fragte, als sie heran waren, mit Unbefangenheit: aus welchem Material die Statue gemacht sei? Man antwortete ziemlich höflich: „Aus Bronze“, schnitt aber weitere kunsthistorische Fragen, zu denen ich Lust bezeugte, durch die Gegenfrage nach meinen Papieren ab.

   


Ich überreichte ein rotes Portefeuille, in dem sich meine Legitimationspapiere befanden, selbstverständlich nur preußische.

   


Man suchte sich darin zurecht zu finden, kam aber nicht weit und forderte mich nunmehr auf, zu besserer Feststellung sowohl meiner Person, wie meiner Reiseberechtigung ihnen in das Wirtshaus zu folgen. Die ganze Szene, so peinlich sie war, hatte, der Gesamthaltung der Dorfbewohner nach, nicht gerade viel Bedrohliches gehabt.

   


Sie schien nach unserem Eintreten in das Wirtshaus, wo bald Wein und Reimser Biskuit herum gegeben wurden, ein immer helleres Licht gewinnen zu wollen. Ich machte alle, deren Zahl von Minute zu Minute wuchs, mit dem Inhalt meiner Legitimationspapiere bekannt und setzte ihnen offen den Zweck meiner Reise und dieser speziellen Exkursion nach Domremy auseinander, was alles wohl aufgenommen wurde.

   
Fredeswind Märchenschatztruhe

Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe


"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"

Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
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Aber der kleine Lichtstrahl, der eben durchbrechen wollte, sollte bald wieder schwinden. Ich war eben noch im besten Perorieren (Redefluss), als ein junger Bauer, der sich mit meinem Stock zu tun gemacht hatte, die Krücke aus der Stockscheide zog und mit einem: „Ah, un poignard!“ (Ah, ein Dolch), die mir zuhörende Gesellschaft überraschte. Es durchfröstelte mich etwas, weil ich klar einsah, was jetzt notwendig kommen musste.

   


Ich fasste mich aber schnell und zur Initiative greifend, die allein einem Schlimmeren vorbeugen konnte, sagte ich mit Ruhe: „Naturellement, Messieurs, je suis armé.“ (Natürlich meine Herren, ich bin bewaffnet) Ich sprach es so, dass man heraushören musste: mit diesem Poignard allein ist es nicht getan.

   


Man verstand mich auch sofort und von mehreren Seiten hieß es jetzt: „Ah, ah! Sans doute un revolvér“, während Andere dazwischen riefen: „Où est-il? Où sont ses effets? Cherchez! Apportez!“ (Aha, ohne Zweifel ein Revolver….Wo ist er? Wo sind seine Sachen! Sucht! Bringt sie her!) Man brachte alsbald meine Reisedecke und bestand seltsamerweise darauf, dass ich sie selber öffnen solle.

   


Es war, als hätt’ ich sie mit Torpedos geladen. Ich konnte mich selbst in diesem Augenblicke eines Lächelns nicht erwehren, löste die Riemen, wickelte die Decke auseinander und überreichte meinen Revolver. Er ging von Hand zu Hand; ich konnte wahrnehmen, dass er mit sehr verschiedenen Gefühlen betrachtet wurde.

   
Fredeswind Märchenschatztruhe

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"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"

Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
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Die Situation war bereits heikel genug, aber schlimme Momente kommen nie allein; so auch hier. In eben diesem Augenblick, wo die Stimmung gegen mich ziemlich hoch ging, drängte sich durch den dichtesten Haufen ein wüst ausersehender Geselle, der, gedunsen und kurzhalsig, seiner apoplektischen Anlage durch 6 Liter Wein täglich zu Hilfe zu kommen schien, stellte sich sperrbeinig vor mich hin, schlug mit der Faust auf seine Brust und erklärte mit lallender Zunge: „Je suis le Maire.“(Ich bin der Bürgermeister)

   


Dies kam mir sehr ungelegen. Ich griff zu einem verzweifelten Mittel und sagte ihm unter Verbeugung, dass ich erfreut sei, ihn zu sehen, was bei Einzelnen (ich hatte also richtig gerechnet) sofort eine gewisse Heiterkeit zu meinen Gunsten erweckte und die Gebildeteren veranlasste, die Dorfobrigkeit, die noch allerhand faselte, bei Seite zu schieben.

   


Einer aus dem Kreise der Minorität trat jetzt an mich heran und fragte ruhig: ob ich damit einverstanden sei, dass man mich nach Neufchateau auf die Souspräfektur (Unterpräfektur) führe? Ich musste lächeln; ebenso gut hätte er mich fragen können, ob ich damit einverstanden sei, gehängt zu werden? Ich musste eben tragen, was über mich beschlossen wurde.

   


Meine Einwilligung war kaum ausgesprochen, als man meinen Kutscher, der mich übrigens nicht verraten hatte, antrieb, seine Braunen wieder einzuspannen. Ich bezahlte meine Zehrung, die Wirtin nahm das Geld und sah mich teilnahmsvoll an. Sie schien sagen zu wollen: die Welt ist toll geworden.

   


Wir stiegen auf. Rechts der Kutscher, links ein Franctireur (Freischütz), ich eingeklemmt zwischen beiden; hinter uns, auf einem Strohbündel, lagen zwei Blousenmänner. Die Sonne war im Niedergehen, der Abend klar und schön; so ging es auf Neufchateau zu.

   
Fredeswind Märchenschatztruhe

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Jetzt habe ich es endlich mal geschafft, die ganzen Märchen nachzulesen. Zusammen mit den großen Bildern sind die
Märchen noch viel schöner. Danke dafür. Danke


Auch deinen Reisebericht, das Mix aus echten Urlaubsbildern und Playmobil....einfach nur schön und sehr informativ. daumen
Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
aber du kannst neu anfangen und das Ende ändern.

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(29.08.2019, 10:15)Floranja89 schrieb: Jetzt habe ich es endlich mal geschafft, die ganzen Märchen nachzulesen. Zusammen mit den großen Bildern sind die
Märchen noch viel schöner. Danke dafür. Danke


Auch deinen Reisebericht, das Mix aus echten Urlaubsbildern und Playmobil....einfach nur schön und sehr informativ. daumen

Danke Danke Rotwerd Rotwerd 

Joi, das warst du ja fleißig am Lesen. Schön, dass du dir die Zeit genommen hast. Das finde ich toll!  daumen  

LG von der Märchenfee Fredeswind   fee
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"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"

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2. NEUFCHÂTEAU

Die Blousenmänner schliefen; mein Nachbar der Franctireur aber plauderte und rauchte seine Zigarette. Er war frisch, patriotisch, bescheiden; meine Situation flößte ihm eine gewisse Teilnahme ein. Ich fragte nach dem Souspräfekten. Der Franctireur nannte mir den Namen: Mr. Cialandri, ein Korse. Ich kann nicht sagen, dass mir bei diesem Zusatz besonders wohl geworden wäre. Ein Korse! Die Engländer haben ein Schul- und Kinderbuch, das den Titel führt: „Peter Parley’s Reise um die Welt, oder was zu wissen not tut.“ Gleich im ersten Kapitel werden die europäischen Nationen im Lapidarstil charakterisiert. Der Holländer wäscht sich viel und kaut Tabak; der Russe wäscht sich wenig und trinkt Branntwein; der Türke raucht und ruft Allah. Wie oft habe ich darüber gelacht. Im Grunde genommen stehen wir aber allen fremden Nationen gegenüber mehr oder weniger auf dem Peter-Parley-Standpunkt.

   


Es sind immer nur ein, zwei Dinge, die uns, wen wir den Namen eines fremden Volkes hören, sofort entgegentreten: ein langer Zopf, oder Schlitzaugen, oder ein Nasenring. Unter einem Korsen hatte ich mir nie etwas anderes gedacht als einen kleinen braunen Kerl, der seinen Feind meuchlings niederschießt und drei Tage später von dem Bruder seines Feindes niedergeschossen wird. Man kann daraus abnehmen, welcher Trost mir aus der Mitteilung erwuchs, dass Mr. Cialandri ein Korse sei.

   


Es dunkelte schon, als wir in Neufchateau einfuhren. Die Straßen waren wenig belebt, und nach einigem Hin- und Herfragen hielten wir vor der Souspräfektur. Der Anblick war der freundlichste von der Welt. Ein Gitter, ein kiesbestreuter Vorhof, dahinter eine Villa, im italienischen Castell-Styl aufgeführt...

   


Wein und Pfirsich rankten am Spalier. Nach erfolgter Anmeldung wurde ich treppauf geführt. In einem mit türkischem Teppich ausgelegten Salon saßen die Damen des Hauses; ein Diener brachte eben die Lampen; ich verneigte mich.

   
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Mr. Cialandri empfing mich an der Schwelle des dahinter gelegenen Zimmers, das dieselbe Eleganz zeigte: Marmorkamin, breite Spiegel, Fauteuils. Auf einem derselben wurde ich gebeten, Platz zu nehmen. Mr. Cialandri setzte sich mir gegenüber. Das Kaminfeuer beleuchtete seine Züge.

   


Es war ein schmächtiger Mann, von vollkommen weltmännischer Tournüre, dabei augenscheinlich krank. Er entschuldigte sich, dass er im Flüstertone sprechen müsse. Sein Auge war dunkel, sein Teint erdfahl; wenn sich irgend eine Blutrache an ihm vollzogen hatte, so konnte sie nur den Charakter anhaltender Aderlässe gehabt haben. Er drückte sein Bedauern aus, bei den Zeitläuften die leider herrschten, mich nicht ohne Weiteres in Freiheit setzen zu können; der Kapitän der Gendarmerie, nach dem er bereits geschickt habe, werde das Weitere veranlassen.

   


Die Situation, Alles in Allem genommen, schien mir nicht hoffnungslos; aber sie sollte sich bald verändern. Der Kapitän trat ein, verbeugte sich leicht und nahm dann den mit leiser Stimme gegebenen Bericht des Souspräfekten entgegen. Dann und wann warf er ein kurzes Wort ein und blickte, scharf musternd, mit seinen dunklen Augen zu mir herüber.

   


Ich hasse im Allgemeinen nichts mehr als diese törichten Augenkämpfe, die, aus einer falschen Vorstellung von Mut und Mannhaftigkeit hervorgehend, schon so viel Unheil angerichtet haben; diese Blicke aber hielt ich aus.

Der Capitain wandte sich jetzt an mich:

„Vous êtes officier prussien?“ (Sie sind ein preußischer Offizier?)

„Non!“ (Nein)

„Vous avez fait une „excursion“ à Domremy?“ (Sie haben einen Ausflug nach Domremygemacht?)

„Oui!“ (Ja)

„Vous suivez votre armée?“(Sie folgen Ihrer Armee?)

„Oui et non! En tout cas je n’en dépends pas.“ (Ja und nein, jedenfalls hänge ich von ihr ab.)

„Ah, ah! — Vous avez été à Toul?“ (Sie waren in Toul?)

„Oui!“

„A Nancy!“ (In Nancy)

„Oui!“

„Vous ètes médecin?“ (Sie sind Arzt?)

„Non.“

„Mais vous portez la croix rouge!“ (Aber Sie benutzen das rote Kreuz!)

„Oui; comme légitimation.“ (Ja, mit Legitimation.)

„Ah, ah!“

   
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Nun folgte wieder ein Geflüster und eine Seitenmusterung, worauf ich gebeten wurde, ihm zu folgen. Ich verbeugte mich gegen den Souspräfekten, die Damen im Salon erwiderten höflich meinen Gruß und ich stieg rasch... die Treppe nieder. 

   


Im Hinaustreten auf den Vorhof besann sich der Kapitän (wofür ich ihm danke) plötzlich eines Besseren, ließ eine Hinterpforte öffnen und führte mich auf abgekürztem Wege durch Straßen, wo niemand unserer achtete, in das Gefängnis der Stadt.

   


Es war ein weitschichtiges Gebäude, Korridore, ein Gewirr von Treppen; endlich öffneten wir ein Zimmer, darin der Greffier (Justizbeamter) von Neufchateau seine Wohnung hatte. Im Kamin knackten die großen Scheite; die Flamme schlug hoch auf und gab dem niedrigen aber geräumigen Gemach mehr Licht, als die kleine Lampe, die auf dem Tische stand.

   


Der Kapitän übergab mich dem Greffier, der den vollklingenden Namen Mr. Palazot führte, verbeugte sich gegen mich mit einem Anflug von Ironie und ließ mich mit meinem Hüter allein. Ich war jetzt Gefangener.

   
Fredeswind Märchenschatztruhe

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"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"

Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
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Wie spannend! Yikes:

Hoffentlich geht es bald weiter...

Smile
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(29.08.2019, 22:44)Schoko-Queen schrieb: Wie spannend! Yikes:

Hoffentlich geht es bald weiter...

Smile

Danke Danke Rotwerd Rotwerd 

Spätestens Montag geht es weiter!

LG von der Märchenfee Fredeswind   fee
Fredeswind Märchenschatztruhe

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