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Fredeswinds Märchenschatztruhe
3. RASUMOFSKY

Bequartiert war ich nun; alles war da nur die oberste Dienstcharge, die zu besetzen war, war noch unbesetzt geblieben, - der Bursche fehlte noch. Aber auch darüber wurde ich beruhigt: „Demain matin.“ Demain matin kam.

   


Beinahe gleichzeitig mit ihm erschien ein Hausbeamter, um mir vorbehaltlich meiner Zustimmung, meinen zukünftigen Burschen, den Verwalter meiner Wirtschaft, vorzustellen, Max Rasumofsky: er gefiel mir auf der Stelle, dass er ein schwarzer Husar war, besagten die Überreste seiner Uniform, dass er Pole war entnahm ich seinem Namen, dass er Schneider war, ergaben die ersten Recherchen…

   


Ich griff zu und hatte meine Wahl nicht zu bereuen. Er war, was der militärische terminus technicus schneidig und findig nennt. Unschätzbare Eigenschaften; im besondern auch hier. Seine ‚Schneidigkeit‘ fiel natürlich in die Zeit vor seiner Gefangenschaft, und was die Beweise dafür angeht, so bin ich zum besten Teile auf seine eigenen Berichterstattung angewiesen…

   


Wenn mir die Schneidigkeit Rasumofskys so gut wie gewiss war, so war ich seiner Findigkeit ganz und gar sicher. Es war unglaublich, was er alles ‚gefunden‘ hatte, namentlich in den Tagen, die dem Siege von Wörth unmittelbar folgten. Mehrere Spiele Karten, eine Straußenfeder, eine schwarzen Schleier mit Goldsternchen, eine Flasche Anisette. Diese war das Beste. Ein paar französische Generalsepauletten (Schulterstücke einer Generalsuniform) begleiteten ihn mehrere Tage. Aber er brachte es mit ihnen nicht über einen idealen Genuss hinaus, der zuletzt zu eine freiwilligen Trennug führte. „Wo haben Sie sie gelassen?“ – „Ich habe sie wieder weggeworfen.“ … Die Freude lachte ihm aus den Augen, das blanke Spielzeug mal besessen zu haben. Das ist die echte Findigkeit. Die Freude auch an dem, was man nicht brauchen kann.

   
Fredeswind Märchenschatztruhe

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"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"

Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
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Ich wäre aber undankbar, wenn ich Rasumofskys Findigkeit lediglich in die Vergangenheit stellen wollte,, dass dieselbe auch bis in die Gegenwart hineinragt. Auch hier noch unter erschwerendstenten Umständen ‚findet’ er beständig, und zwar in echter Burschentreue nicht für sich, sondern mir zuliebe. Es tauchen Schuhbürsten, Teelöffel, Lichtscheren (Dochtscheren) auf, deren Ursprung nachzuforschen ich wohlweislich unterlasse.

   


Seine eigentlichste Begabung zeigt er aber im Anfahren von Holz. Ich habe hierüber längere Unterredungen mit ihm gehabt… Ich habe endlich geschwiegen, was er als Zustimmung gedeutet hat. Seitdem verfolgt er mit scharfem Auge jede morsche oder durchgetrennte Diele, das handbreite Loch um das Doppelte oder Dreifache erweiternd…

   


Jeden Morgen, wenn das Feuer angezündet und das Teewasser in die ersten Kohlen gestellt ist, tritt Rasumofsky mit einer gewissen Adrettheit an mein Bett. Um von der Stuhllehne den Rock, den Überzieher die Beinkleider zu nehmen und damit im Flur, wo sich auch wirklich ein großer Kleiderriegel befindet, zu verschwinden.

   


Innerhalb kürzester Zeit ist er wieder da, so dass ich mich überzeugt halte, dass er der gesamten Kleiderdreiheit nur eine frische Brise und den Anblick der Morgensonne gönnt. Mit komischer Sorglichkeit breitet er bei seinem Wiedererscheinen die drei Kleidungsstüche über die gleiche Lehne aus, von der er sie eben entführte.

   
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"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"

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Zwei Stunden später mutatis mutandis (in Abänderung) erlebt es seine Wiederholung. Ich werde dann gebeten, eine halbe Stunde spazierenzugehen, um durch die Zimmerreinigungsprozedur nicht gestört zu werden. Auch hier kommt es ausschließlich zu einer Lüftung, dann ziehe ich in die lieben alten Räume wieder ein. Die Ordnung der Dinge ist inzwischen durch keine übergeschäftige Hand gestört worden.

   


Wir leben gut, einträchtig, friedfertig miteinander, ich teile meine Neuigkeiten und meine Mahlzeiten mit ihm, und mein Kognakkonto bei Mr. Vimenet, dem kleinen freundlichen Kaufmann in der Stadt, wird lediglich ihm zuliebe mit immer neuen Francs beschwert....

   


In unsern politischen Anschauungen sind wir einig. Sie finden immer wieder in dem Satze Ausdruck, dass der Friede unterzeichnet werden müsse, damit wir Weihnachten zu Hause sind… Das Weihnachten zu Hause steht wohl noch manchem Gefangenen und Nichtgefangenen im Vordergrund. Die diesen Egoismus abgetan haben und in großem Empfinden über sich selbst hinauswachsen, ihre Zahl ist klein. Warum sollte Rasumofsky unter diesen wenigen sein!

   
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5. BLANCHE


Auch ein weibliches Wesen ist um mich her, das in meinem Haushalt die Ergänzung zu Rasumofsky bildet. Es ist, um mich an Rückertschen Anklängen zu bewegen, eine feine Reine, schlanke Kleine, die ich mit Rücksicht auf ihre Erscheinung Blanche getauft habe…. Sie ist noch ganz Kind, ganz unbefangen, fasst das Leben von der heiteren und Vergnügungsseite auf und betrachtet sich selbst als bloßes Ornament des Daseins, kennt keine andere Pflicht als die, sich zu putzen und streicheln zu lassen...

Ich engagierte sie zunächst aus bloßen Nützlichkeitsrücksichten und erwartete von ihr, wie jetzt das Modewort lautet, einen ‚Guerre d’extermination‘ (Ausrottungskrieg) gegen den Erbfeind; aber niemals ist eine Erwartung gründlicher getäuscht worden. Sie scheint kaum zu wissen, dass es Feinde gibt, geschweige Erbfeinde.


   


Über Nacht aber, wenn der Feind seine Vorposten schickt, horcht sie auf spinnt dann einen Augenblick vergnüglich und schläft wieder ein. Dennoch – dies Anerkenntnis bin ich ihr schuldig – übt sie einen gewissen Einfluss, aber freilich ohne die geringste Ahnung davon. Sie ist ganz Spielzeug, und ich habe es längst aufgegeben, Ernsteres von ihr zu erwarten. Es liegt nicht an ihr.

   


Sie ist mir Schauspiel, Augenweide, Zirkusschönheit, im Hoch- und Weitsprung gleich ausgezeichnet. Blanche, wie gesagt, ist die Ergänzung zu Rasumofsky; was jener meinem Geiste ist, ist diese meinen Sinnen. Wenn ich mit dem ersteren… die Tagesangelegenheiten behandle, also in rascher Reihenfolge die Fragen stelle: „Wie ist das Wetter? Was macht Paris? Nichts von Frieden?“ – so gehört mein Auge ganz der kleinen Weißen, die wie ein alabasterner Briefbeschwerer auf meinem Schreibtisch neben mir liegt...

   


Um acht Uhr, nachdem wir unsern Tee genommen, für den sie eine distinguierte Vorliebe zeigt, gehen wir zu Bett; sie ist aber noch nicht müde und unterhält mich eine Viertelstunde lang durch die wunderbarsten Kapriolen. Um halb neun endlich, wo abwechselnd ein Trompeter von den Schleswiger Husaren und den Garde-Ulanen auf den Kasernenhof tritt, um die preußischen Kavalleriesignale zu blasen, wird Blanche stiller und schiebt sich, wie zu einer letzten Liebkosung, an meinen Hals zwischen Kopf und Schulter.

   


So vergehen Minuten. Eine viertel Stunde später tritt aus dem Kasernenflügel gegenüber ein französischer Trompeter auf den Hof hinaus und antwortet den Preußen oder besiegelt den Appell. Nun weiß Blanche, dass es Zeit ist. Sie erhebt sich summend und spinnend und legt sich am Fußende des Bettes auf die vierfach zusammengefaltete Reisedecke.

   


Das Feuer im Kamin erlischt. So schlafen wir, bis die Reveille (Wecksignal) uns weckt.
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6. LE REMPART

Um acht Uhr früh, oder wenig später trat ich allmorgendlich auf den Wallgang (le rempart), der sich auf dem fünfzehn Schritt breiten Terrain zwischen meiner Kaserne und dem Meer hinzog... Der Rempart selber war nicht ein gewöhnlicher zugeschrägter Wall mit Grasdossierung und einem Fußsteig, sondern aus senkrechten Quadern ausgeführtes Mauerwerk.

   


Diese Morgenspaziergänge, denen ich, bei schönem Wetter, noch eine kurze Mittags- und Nachmittagspromenade folgen ließ, waren meine besondere Freude, und ich kann sagen, die schönsten und poetischten Stunden meiner Oléron-Tage auf diesem prächtigen Rempart zugebracht zu haben.

   


Je nach der Stunde zu der ich heraustrat, fand ich Flut oder Ebbe, begrüßte ich das steigende oder schwindende Meer. War Ebbe, so lag der Wasserarm, der unsere Insel vom Festlande trennte zur Hälfte wie eine Sandbank da. Unmittelbar zu Füßen des Remparts, trieben die hochbeinigen Strandläufer ihr possierliches Spiel; mit weißer Brust und schwarzen Flügeln, trippelnd, pfeifend und nahrungssuchend, liefen sie herdenweise über den lehmigen Grund hin.

   


Das war ein eigentümliches Bild, aber groß und erhebend war es, wenn nun die Flut unhörbar herankam, immer wachsend, immer steigend, bis die erste leise Brandungswelle das Mauerwerk der hervorspringenden Bastion und eine Minute später den Quaderfuß des zurückgelegenen Rempart traf...

   


Selbst an Regentagen, die auch ihren Zauber hatten, versuchte ich auf kurze Minuten hin an dieser bevorzugten Stelle auszuhalten. Nur die Sturmtage, an denen im Monat November keinen Mangel war, fegten mich gewaltsam vom Rempart hinunter und zwangen mich, meinen Morgenspaziergang unten, auf dem zehn Schritt breiten Gartenstreifen zu machen. Der Sturm heulte dann über mich hin. Aber auch ein bloßes Drüberhingehen reichte schon aus, alles was hier unten noch grünte, erzittern zu machen...

   


Ein Gefangener ist empfindlich gegen solche Eindrücke. Sie loszuwerden trat ich dann… rasch auf den Rempart hinaus. Es wetterte, ich hielt den Hut mit beiden Händen, und die Gischt sprang bis über die Brüstung. Aber ich atmete auf und sah nach Osten hin, wo mir die Heimat lag und Freiheit.

   
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7. MITTAG

Der Vormittag, der dem Morgenspaziergang folgte, gehörte der Arbeit. Himmlische Ruhe! Wie leicht, wie behaglich es aus der Feder floss! So kam Mittag heran.

   


Um zwölf präzis klopfte es, und auf mein nach Gutdünken abgegebenes „Entrez“ oder „Herein“ erschien Madame la Cantinière. eine freundliche, bleichsüchtige Frau, die nach unendlichen Knicksen und Begrüßungen und unter einem Schwall von Redensarten, aus denen ich mir nur die Stichworte heraussuchte, meine Hauptmahlzeit servierte…

   


Ein Tisch existierte nicht; der Schreibtisch war sakrosankt; so blieb denn nur die Kommode, die zum, Zeichen ihrer Doppelbestimmung und sozusagen als Tischtuch in Permanenz eine auseinandergefaltete Serviette trug. Einen Wechsel derselben habe ich nicht erlebt. Auf diese Unterlage nun stellte Madame la Cantinière das zusammengeklappte Tellerpaar, das wie eine Muschel aussah...

An vier von fünf Tagen war es ein Stück in die Pfanne geworfenes Rindfleisch, ein Rundstück mit gedörrten Kartoffeln und Seesalz garniert… Dazu trank ich Landwein, der einen unglaublich schönen Namen hatte, aber nach dumpfem Fass schmeckte und dem ich durch Zucker und Wasser aufzuhelfen suchte.

   


Was die Arrangements angeht, so darf ich wohl hinzusetzen, dass ich meine Mahlzeit notgedrungen im Stehen einnahm, da die Kommodenkästchen keinen Stuhl gestatteten. Dies war die gebrechliche Seite des Diners, aber das Dessert brachte wieder alles ins Reine... Ich schälte… eine große Goldreinette und begann nun, Scheibe für Scheibe mit immer neuer Freudigkeit zu genießen.

   


Währenddessen spielte Blanche mit den Schalen und neben mir brodelte das Wasser, das zehn Minuten später braun und duftig in das von dem Landwein desinfizierte Glas floss. Im Schlürfen des geliebten Trankes vergaß ich vieles, und vieles stieg lächelnd und grüßend herauf.

   
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8. TEESTUNDE

Von sechs bis acht war Teestunde und – Empfang. Man wusste das schließlich in der ganzen Kaserne, und so hatte ich denn meist um diese Zeit Besuch. Mitunter drängte es sich, und in diesem Falle war es nichts Kleines, mit drei Gläsern und einer Zuckertüte das leibliche und mit Hilfe einer Unterhaltung, die vom Hundertsten ins Tausendste sprang, das geistige Bedürfnis der Gäste zu bestreiten...

   


In der Regel kam man zu zweien, so dass wir uns zu dreien an den Kamin setzen konnten; Rasumofsky als dienender Bruder im Hintergrunde… Mit herzlichem Vergnügen denke ich an jene Stunden zurück... Sie gönnten mir Einblick in das Leben unseres Volks, in seiner Kraft und Güte.

   


(Anmerkung der Redaktion: hier charakterisiert und beleuchtet Fontane sämtliche Besuche, die er erhielt. Ich lasse das außen vor, da es sich ausgesprochen schwierig gestaltet, dieses in Bilder umzusetzen.)
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9. REGENTAGE

Sturm und Regentage, und ihrer waren nicht wenige, unterbrachen den gewöhnlichen Tagesgang und gehörten vorwiegend der Arbeit und der Lektüre. Der Lektüre! Unter gewöhnlichen Verhältnissen freilich hätt es notwendig schlecht damit stehen müssen, da ich nichts besaß als ein kleines unterwegs gekauftes Eisenbahnkursbuch und eine drei Jahre alte Nummer des Witzblattes ‚La Lune‘, die ich in einem Kommodenkasten leidlich wohlbehalten vorgefunden hatte…

   


Der Leser mag sich berechnen, wie weit das reichte. Es hätte aber keinen Kommandanten auf Oléron geben müssen, wenn diese Verlegenheit eine dauernde hätte sein sollen; - Capitaine Forot hatte kaum von meinem Wunsche gehört, als auch schon Rasumofsky kam und mir, mit Gruß und besten Empfehlungen, drei Bücher zu überreichen: ein kleines, ein großes und ein sehr großes.

   


Mit dem kleinen wollte es nicht gehen. Ich glaube es hieß ‚Eine Reise ins Freie‘. Noch ehe ich bis Seite hundert gekommen war, warf ich das Zeug in die Ecke. Es war mir um ein Grad zu französisch. Ich ging nun an das große Buch. Es war das ‚Memorial von St. Helena‘, das bekannte Tagebuch des Grafen Las Cases. Ich sage ‚bekannt‘, aber freilich wohl den meisten Menschen (wie mir selber) nur dem Namen nach... Ich las mit dem größten Interesse…

   


Meine eigentlichste Freude war aber doch das sehr große Buch, in dem sich nicht eigentlich lesen, sondern nur naschen ließ. Dieses große Buch hieß ‚Autographen-Album‘… und enthielt, in Faksimilies, die handschriftlichen Aufzeichnungen von mehr als tausend Personen, Zelebritäten aus aller Welt Enden, zu elf Zwölftel natürlich Franzosen. Deutsche fast gar nicht…

   


(Anmerkung der Redaktion: Hier gibt Fontane nun einen groben Überblick über das Geschriebene in diesem Buch, ich lasse es wieder außen vor)
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10. DER ÜBERFALL VON ABLIS

Von sechs an war Plauderstunde. Dann kamen, wie schon in einem früheren Kapitel erzählt, die Avantageure, Sergeanten und Unteroffiziere (meist Kavalleristen), um ein Glas Tee in der Hand und die Füße am Kamin, die Tagesereignisse zu besprechen: wer krank sei, wer gestorben sei… Es waren nicht gerade welterschütternde Fragen, die uns beschäftigten und die an zweiten und dritten Abenden mit derselben Hingabe behandelt wurden wie am ersten. Die Hauptunterhaltung blieben aber doch die Kriegsabenteuer, namentlich die Momente der Gefangennahme...


(Anmerkung der Redaktion: hier berichtet Fontane nun aus der Fülle von Stoff, der damals von seinen Mitgefangenen erzählt wurde, bis einschließlich Kapitel zwölf. Da ich nicht die Möglichkeit, Schlachten etc. nachzustellen habe, lasse ich diese Kriegserzählungen außen vor.)
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13. BEGRÄBNIS

Arbeit und Lektüre kürzten die Zeit, aber für jeden, der weder das eine noch das andere hatte, waren es langweilige Tage, nichts geschah, und Sergeant Genzel (ein Mitgefangener), wenn er seinen Heine so gute kannte, wie seinen Schiller, durfte zitieren:

„Nur wenn sie einen begraben,
Bekommen wir was zu sehn.“

Leider kam dies ‚Begraben‘ bald öfter vor, als auch den Zerstreuungssüchtigsten unter uns wünschenswert sein mochte. Erst starb ein Alter, ein bayerscher Fuhrmann. Offiziell hieß es, er habe einen ‚organischen Fehler‘ gehabt. So heißt es immer. Der zweite war ein Kürassier (auch Bayer), den man von Orleans krank hergebracht hatte. Am 22. November begruben wir ihn. Um neun Uhr wurde es lebhaft. Chorknaben, vier oder sechs… erschienen auf dem Kasernenhofe.

   


Dann kamen drei Geistliche, schwarz und weiß, mit Mitren auf dem Haupt. Die Bayern standen schon da und formierten sich zu einer Kolonne. Acht von ihnen, in blankem Helm, trugen den Sarg herbei der bisher in einem Schuppen gestanden hatte, und setzen ihn auf die Bahre. Es war eine einfache Holzkiste mit einem zugeschrägten Deckel. Das schwarze Tuch mit dem silbernen Kreuz wurde darüber geschlagen.

   


Dann setzte sich der Zug in Bewegung, zunächst auf die Stadt und Kirche zu, die Chorknaben mit Kruzifix und... Laternen allen übrigen voraus. So ging es durch das Portal über die Zugbrücke. Als wir an der Kantine vorbeikamen, schwenkten einige Leidtragende ab; ihre Empfindung nahm plötzlich eine andere Richtung. Die Mehrzahl folgte. So erreichten wir die Kirche…

   


Die acht Bayern hatten inzwischen die Bahre mit dem Sarg in das Mittelschiff gestellt, unmittelbar in die Nähe des Chores… Die geistlichen Herren nahmen innerhalb des Chores Platz; dann begannen die Litaneien. Es klang misererehaft. Ich konnte den Worten nicht folgen und betrachtete deshalb die Kirche. Sie war in gutem Stil aus gutem Materiale gebaut, dabei mit Bildern reich geschmückt… Nun waren die Litaneien vorüber. Die Geistlichen erschienen neben den Sarg und lasen die Gebete, ein Chorknabe schwenkte den Weihkessel; dann tat der fungierende Priester dasselbe. Damit war der kirchliche Akt beschlossen.

   
Kirche Mariä Himmelfahrt, Chateau d'Oléron

   


Der Zug setzte sich aufs neue in Bewegung, der Begräbnisstätte zu. Es war noch eine hübsche Strecke… Endlich sahen wir die weiße Mauer, das Tor stand auf und der Zug bog ein. Die Stätte machte einen guten Eindruck; Kreuze und Denkmäler, alles in Marmor, man ehrte die Toten hier. Dazu sprach aus allem eine gewisse Wohlhabenheit Zypressenbäume und wilder Lorbeer fassten die Gänge und Steige ein…

   


Nun hielten wir am Grabe; die tonige, graublaue Schlickerde lag uns zur Seite. Der Nordwest ging immer schärfer… Der Sarg wurde zur Grube getragen und dann gesenkt... Noch ein kurzes Gebet, dann griffen die Mutigsten in den nassen Schlick und warfen einen Erdkloß hinunter. Damit war es getan. In drei Minuten war alles verschwunden, der Friedhof leer... Ich gedachte derer, die, fern der Heimat des Toten, dieser Stunde nicht gedachten. Dann an den Hagrosen vorbei, von denen auch nicht eine auf sein Grab gelegt werden wird, trat auch ich den Rückweg an.

So stirbt man in der Fremde.
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