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Fredeswinds Märchenschatztruhe
Acht Uhr wurde festgesetzt und seitens der Familie Bourgaut der Wunsch ausgesprochen, dass ich das Mahl in ihrem Familienzimmer einnehmen möchte… Punkt acht Uhr trat ich in den Salon, ein großes Hinterzimmer, das sich bis dahin meinen Blicken verborgen hatte. Es war sehr sauber gehalten, auf der Herdstelle brannten große Scheite Buchenholz...

   


Wir nahmen endlich Platz, cher Louis, der etwas neckisch und übermütig war, wurde ein paar Mal mit: „Ce n’est pas poli!“ (Das ist nicht höflich) zur Ruhe verwiesen, die gute Laune erlitt aber durch solche Zwischenfälle keine Einbuße, und die Riesentaube die mir endlich durch Madame Bourgaut vorgesetzt wurde, ...war nur im Stande, die gute Laune zu steigern.

   


Das Fest stand auf seiner Höhe, als beim dritten oder vierten Glas Wein eine mittelalterliche Dame eintrat, die den Namen ‚Tante‘ führte. Sie war sehr stark, unverheiratet und von heiteren Gesichtszügen.Wir sprachen von ‚cher Louis‘, dessen Pate sie war, und die Bemerkung drängte sich mir auf, ob ihr Liebling, eben unser Freund Louis, nie Geschwister gehabt habe?

   
Fredeswind Märchenschatztruhe

Inhalt Fredeswinds Märchenschatztruhe


"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"

Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
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Als dies verneint wurde, ging ich zu der heiklen, übrigens von der Statistik oft aufgeworfenen Frage über: wie es nur komme, dass die Franzosen meist zwei, die Deutschen meist vier und die Engländer meist vierzehn Kinder hätten? Diese letztere Zahl, mit der ich es nicht allzu genau zu nehmen bitte, gab nun das Signal zu allgemeiner Heiterkeit.

   


Die Tante, die zu fühlen schien, dass sie es wohl verdient hätte in England geboren zu sein, befand sich auf dem Gipfel des Glücks und ihr Lachen fing an mich mehr oder weniger zu beunruhigen. Es war nur möglich, durch irgendeine Diversion weiterem Unheil vorzubeugen, ich brachte also ein halbes Dutzend Toaste aus...

   


Ich stieß mit allen an, mit der Tante dreimal, und trat dann, etwas abrupt, meinen Rückzug an, ohne das Ende der Festlichkeit abgewartet zu haben. Oben rollte ich meine paar Sachen in die Reisedecke hinein und warf mich aufs Bett. In zwölf Stunden hoffte ich in Besançon in vierundzwanzig Stunden in Freiheit zu sein. - Es war anders beschlossen.

   
Fredeswind Märchenschatztruhe

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"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"

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4. VON LANGRES BIS BESANÇON


Besançon wie schon angedeutet, erschien mir lediglich als Etappe zurück in die Freiheit. Ganz abgesehen von den direkten Zusicherungen Mr. Bourgauts, glaubte ich, nach einem gewissen ästhetischen Gesetz, die Lösung des Konflikts innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden erwarten zu müssen... So, guter Dinge, stand ich auch vor diesem Erlebnis... Es ging aber diesmal alles verquer; von regelrechter Entwicklung keine Rede. Immer neues Wirrsal. Erst als ich ganz resigniert war, wurd‘ es besser.

Ich fahre jetzt in Darstellung meiner Erlebnisse fort. Sechs Uhr früh am anderen Morgen trat ich in den Hof des Gefängnisses; die Gendarmen warteten schon. Ein kurzer Abschied; dann ging es im Geschwindschritt bis an den Bahnhof. Diesmal bergab. Die frühe Morgenstunde sicherte einigermaßen vor der Zudringlichkeit der Bevölkerung.


   
Porte Longe


Es war nasskalt; ein heftiger Regen hatte erst gegen Morgen aufgehört… Ich fand hier Gesellschaft, die gleich mir ins Land hinein transportiert werden sollte, aber nicht nach Besançon. Einer von ihnen war ein gefangener Unteroffizier vom 32. Regiment (Meiningen). Wir fröstelten alle, die Gendarmen in ihren Mänteln nicht ausgenommen.

   


Nach etwa halbstündigem Warten setzten wir uns in ein Coupé (immer 2. Klasse) und fuhren südwärts. Ich fragte, ob ich mich mit meinem Landsmann in deutscher Sprache unterhalten könne, was ohne Weiteres zugestanden wurde. In welche Lebensschicksale man in solchen Zeiten Einblick gewinnt! Dieser gefangene Unteroffizier, seines Zeichens eigentlich ein kleiner Kaufmann aus Köslin, war vierunzwanzig Jahre alt und seit drei Jahren verheiratet...

   


Er hatte nichts als seinen Rock, seine zerschossene Hand und eine Photographie seiner Frau, die er mir zeigte. Ich gab ihm etwas Geld, was er anfangs nicht nehmen wollte, er brauche nichts, allabendlich werde er in ein französisches Hospital abgeliefert, wo ihn die Schwestern bis diesen Tag gütig gepflegt und verbunden hätten. Es kam kein Klagelaut über seine Lippen; man transportierte ihn nach Marseille. „Da ist es wärmer“, setzte er hinzu, während ihn die Morgenfrische kalt überlief… 

   
Fredeswind Märchenschatztruhe

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"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"

Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
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Es war nun Zeit mich meinen eigentlichen Begleitern zu widmen. Sie ließen mir auch keine Wahl; namentlich der eine, ein alter Chasseur d’Afrique, der zwanzig Jahre in Algier gewesen war, bemächtigte sich meiner. Wie ein Sturzbach brach es über mich herein. Wer dabei geneigt sein möchte anzunehmen, dass solche Passivität, solch bloßes Stillhalten, zu dem ich mich verurteilt sah, am Ende nicht als große Anstrengung betrachtet werden könne, der irrt… Ich wurde ganz erschöpft... Endlich heuchelte ich Schlaf...

   


Etwa halben Weges erreichten wir Gray, einen größeren Ort, wo angehalten wurde. Es gab ein wirres Durcheinander, dem ich mich, durch Ausharren auf meinem Platze, zu entziehen suchte; aber ich sollte nichtsdestoweniger in die bunte Szene, als eine Art Mitspieler, hineingezogen werden. Das Coupé stand offen, Hunderte, die ein Unterkommen suchten, starrten hinein und verschwanden wieder, sobald sie die Plätze belegt oder besetzt sahen.

   


Bis plötzlich aus einer dieser auf und ab wogenden Gruppen ein herzliches Lachen und zugleich die Worte zu mir herklangen: „Bonjour, Monsieur; vous souvenez-vous de Domrémy?“ (Guten Tag mein Herr, erinnern Sie sich an Domremy?)

   


Einen Augenblick, weil ich das Wort ‚Domremy‘ nicht deutlich gehört und ohne dies Wort keinen Schlüssel zum Verständnis hatte, starrte ich wie verwirrt in die beständig grüßende und kopfnickende Soldatengruppe hinein, bis es mir endlich wie Schuppen von den Augen fiel.

   
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"Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!"

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Der Vorderste, in roter Schärpe… war einer jener Herren, die meine Verhaftung vor dem Hause der ‚Pucelle‘ herbeigeführt, hinterher aber freilich die Rechnung quitt machend, durch ihren Beistand mich vor den Insulten des Dorfpöbels gerettet hatten. Gerade eine Woche war seitdem vergangen. Die ganze Franctireursschaft von Domremy zog jetzt südwärts, um sich dem großen, unter Garibaldi zu bildenden Freicorps anzuschließen.

   


Unser Wiederzusammentreffen, so weit von dem Schauplatz unserer ersten Begegnung entfernt, weckte allgemeine Heiterkeit, auch bei denen, die bloß flüchtig davon hörten, und alles drängte herbei, um die augenblickliche Bahnhofs-Sehenswürdigkeit von Gray wie einen alten Bekannten zu grüßen.

   


Hier in Gray ging auch der 32er Unteroffizier auf eine andere Bahnlinie über; wir anderen fuhren, unter Beschreibung einer Kurve, zunächst auf Auxonne zu. Dies ist abermals ein Kreuzungspunkt; wir mussten die Wagen wechseln und hatten eine halbe Stunde Zeit, um ein kleines Dejeuner zu bestellen...

   


Nach halbstündigem Aufenthalt ging es weiter auf Besançon zu. Wir kamen bald in seine Nähe und fuhren gegen zwei Uhr in den weiten Kessel hinein, in dem die Stadt gelegen ist. Die Befestigungen derselben umgürten nicht unmittelbar die Stadt.

   
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Sie sind auf den einschließenden Bergen gelegen. Bis zum Ausbruch des Krieges, vielleicht bis zur Kapitulation von Sedan, war ‚la Citadelle de Besançon‘ das eigentlich beherrschende Fort... 

   


Der Weg vom Bahnhof bis zur Kommandantur war wieder so weit wie möglich; wir mussten durch die ganze Stadt hindurch... Die Stadt macht einen sehr guten Eindruck... Seine Quaderhäuser.. sind freilich weder sonderlich originell, noch pittoresk; desto mehr jedoch sind es seine Kirchen. Vor allem die alte Kathedrale. Aber nicht sie allein. 

In der Mitte der Stadt erhebt sich ein moderner Bau, die Johannis- oder Magdalenenkirche. Ich bin, was den Namen angeht, meiner Sache nicht sicher. Desto sicherer steht das Bild vor meinem Auge. Pfeiler mit korinthischem Kapitell schaffen eine griechische Front.. Man verweilt mit Interesse bei dieser Baumeister-Laune und ein goldenes, weithin leuchtendes Kreuz, das aus Stäben reich geflochten wie eine Riesen-Filigranarbeit das Ganze bedeutungsvoll abschließt, adelt es und gibt ihm den kirchlichen Charakter.

Wir hatten endlich die Kommandantur, die hier den Namen ‚la Division‘ führt, erreicht und nahmen in einem Vorzimmer auf einem Armensünderbänkchen Platz. Ein beständiges Kommen und Gehen von Adjutanten und Ordonnanzen; so vergingen fast zwei Stunden. Die Gendarmen, die nach ihrem Mittagsbrot verlangten, wurden ungeduldig.

   


Endlich erschien ein blasser Herr..., seine Augen waren klug und lebhaft. Er musterte mich scharf und rasch mit einem bloßen Streifblick... Er überreichte dann dem Gendarmerie-Brigadier mehrere Papiere; ich hörte meinen Namen und gleich darauf die ruhige Weisung: „À la Citadelle.“ (In die Zitadelle!)

   
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Ich liebe gerade bei Deinen Bildern, Fredeswind, dass sie hier so schön groß sind. Love

Und wieder heißt es warten... Smile
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Der Kerl kommt ja echt rum... was ich mich gerade doch sehr frage wie kommt Mann darauf während Kriegszeiten in das Feindliche Land zu reisen. Ist schon etwas komisch.
Na ja bin gespannt wie es weiter geht.

Wie immer man kann das gar nicht genug sagen super Bilder sehr passend und technisch gut gemacht. 

Kavalier
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(10.09.2019, 19:35)Schoko-Queen schrieb: Ich liebe gerade bei Deinen Bildern, Fredeswind, dass sie hier so schön groß sind. Love

Und wieder heißt es warten... Smile

Danke Danke Rotwerd Rotwerd 

'Die meiste Zeit des Lebens, 
wartet der Mensch vergebens'

Hier aber nicht, mittags geht es weiter!

LG von der Märchenfee Fredeswind fee
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Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
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(10.09.2019, 21:53)Aquarius schrieb: Der Kerl kommt ja echt rum... was ich mich gerade doch sehr frage wie kommt Mann darauf während Kriegszeiten in das Feindliche Land zu reisen. Ist schon etwas komisch.
Na ja bin gespannt wie es weiter geht.

Wie immer man kann das gar nicht genug sagen super Bilder sehr passend und technisch gut gemacht. 

Kavalier

Warum Fontane zu dieser Zeit dort unterwegs war, findest du hier: http://klicky-island.de/showthread.php?t...8#pid15248

Danke Danke  für das große Lob zu meinen Bildern  Rotwerd Rotwerd 

LG von der Märchenfee Fredeswindfee
Fredeswind Märchenschatztruhe

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